21. November 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Albert Lortzing

Albert Lortzing
Albert Lortzing
Obwohl es in der vergangenen Zeit erfolgreiche Bemühungen gab, Leben und Werk von Albert Lortzing (1801–1851) wissenschaftlich aufzubereiten und zu würdigen – 2001 erschien darüber hinaus bei der Bundespost eine Briefmarke zum 200. Geburtstag –, ist es bis heute recht still um einen Komponisten geblieben, der sich als Kapellmeister betätigte und bisweilen auch selbst auf der Bühne stand. Dass er vollkommen überarbeitet und hochverschuldet starb, ist längst vergessen – zahlreiche seiner Werke allerdings ebenso, da sich die aus dem Singspiel geborene deutsche Spieloper derzeit nicht allzu präsent auf den Spielplänen findet. Aktuell besteht ohnehin wenig Interesse an einem Zar und Zimmermann (es sei denn, einer Inszenierung gelingt der schwierige Spagat zwischen Komik, Ironie, Ernst und Satire); und bei dem oft an zweiter Stelle genannten Wildschütz handelt es sich am Ende doch nur um eine biedermeierliche «Eselei».

Auf der anderen Seite zeigt gerade dieses Album mit neun Ouvertüren zu teils heiteren, teils auch ernsteren Bühnenwerken, dass es Lortzing (immerhin in jungen Jahren ein Zeitgenosse von Beethoven, Schubert und Weber) keineswegs an Einfällen mangelte, seine Musik noch immer gut unterhalten kann, aber sich eben nicht den großen Fragen stellt (und auch nicht stellen will). Das gilt selbst für die Oper Regina (1848), ein politisches, sozialkritisches, im Kern hochdramatisches Werk mit Blick auf die Arbeiterklasse, die sich angesichts des Sujets allerdings schon in der Ouvertüre im Ton vergreift und nur durch den Einsatz der Posaunen etwas «Abgründigkeit» suggeriert. Ein wenig (und im positiven Sinne) fassungslos darf man sein, wenn man diese Musik hört und zugleich an die in der Rezeption und auf den Programmen fest verankerten Kollegen Mendelssohn oder Schumann denkt. Es hat auch in jeder Zeit musikalische Welten gegeben, die in der von großen Gattungen und tiefgründigen Sujets getragenen Musikgeschichte unversehens an den Rand gedrängt wurden. – Das routinierte Orchester der Oper Malmö fühlt sich unter Jun Märkl mit diesem Repertoire hörbar wohl, auch wenn ich mir eine individuellere Gestaltung der Partituren wünschen würde.

Albert Lortzing. Opera Overtures
Ouvertüren zu: Der Waffenschmied (1846); Die Opernprobe (1851); Undine (1845); Der Wildschütz (1842); Hans Sachs (1840); Der Weihnachtsabend (1832); Zar und Zimmermann (1837); Andreas Hofer (1832); Regina (1848)
Malmö Opera Orchestra, Jun Märkl

Naxos 8.573824 (2017)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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