Da kann man mal sehen, wie bekloppt man geworden ist: Statt „Billy Wolke“ lese ich in der Playlist „Billy Woke“. Was ist nur los mit mir und mit dieser Welt. Und wer, zum Teufel ist diese Evelyn Kryger, die dann doch gar unter den Mitmusiker:innen auftaucht. Doch, wer ein Stück launig «Balcancan» nennt, muss nun mal auf der Hut sein. Vor allem auch auf der Hut davor, sich in diesem Folk-Gewuhle so zu platzieren, dass es wie ein musikalisches Import-Export-Geschäft nach außen wirkt. Nix easypeasy.
Das tut es aber ein bisschen hier. Tanzmusik gewiss, aber irgendwie fehlt da der letzte Biss für das Ungewisse. Manchmal dudelt die Musik geradewegs so vor sich hin und treibt eher Sand vom Timmendorfer Strand statt Tränen der Ver- und Entzückung in die Augen. Und wenn gar nichts mehr geht, geht doch immer noch eine Verschiebung – Tada! – um einen Ton nach oben und dann – Tadada! – noch einen («Billy Wolke»). Natürlich ist das virtuos gemacht. Aber schön wird’s vor allem in den Passagen, die zur Ruhe kommen wie beim Titel „Yemen“ – wenn da nicht die Schlusssteigerung wäre, die wohl unvermeidbar sein muss. Da ist die angedeutete ironische Brechung um Keyboard bei «Socarabica» und der da aufscheinende psychedelische Sound allerdings auch auf der Habenseite zu verbuchen.
«Das Konzert auf der JazzBaltica war kaum mit anderen Spielsituationen zu vergleichen, weil die Band – dem Lockdown geschuldet – ein ganzes Jahr nicht mehr vor Publikum aufgetreten war. Das Gefühl von inbrünstiger Erlösung ist in jedem einzelnen Moment zu spüren. Da stehen musikantische Persönlichkeiten auf der Bühne, deren Lebensinhalt es ist, auf einer Bühne vor Menschen zu spielen, dies aber viel zu lange nicht mehr durften und konnten. Die Band ist total bei und in sich, aber ebenso komplett beim und für das Publikum da.» So steht es auf der Info-Seite zur CD bei Bandcamp. Das ist schon etwas eigenartig und mit der Erlösung hat man sich so einiges vorgenommen, was schwerlich einlösbar sein dürfte. «Bei der CD vermittelt sich dadurch das Gefühl, dass die Musik ausschließlich für die beiden Ohren bestimmt ist, die sie gerade hören.» Exklusiv!
Die Platte wird ihre Hörenden finden, das ist sicher. Und man wird dabei sich gerne antreiben lassen zur Laune, die sich dann gerade zwischen dem Teil des menschlichen Körpers, der genau dazwischen sitzt. Das wäre dann die Evelyn Kryger in uns. Auch okay.
Evelyn Kryger: Live at JazzBaltica 2021 [2022]
- Cito Kaling – sax,
- Rebecca Czech – vio,
- Arne Dreske – p, keyb
- Jonas Holland-Moritz – b
- Hannes Dunker -dm
Hey!blau Records