21. November 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Gaby Pas-Van Riet

Gaby Pas-Van Riet
Gaby Pas-Van Riet
Zwar sollte man alte Formulierungen nicht nach Jahrhunderten wörtlich in das aktuelle Hochdeutsch übernehmen – in diesem Fall greift aber irgendwie dann doch jene Wendung, die einst Carl Friedrich Zelter gegenüber Goethe für den zunächst in Rheinsberg, dann in Berlin und für einige Monate auch in Tallinn tätigen Waldhornisten, Dirigenten und Komponisten Georg Abraham Schneider (1770–1839) gefunden hat: Dieser habe «eine Menge artiger Stücke componiert». Eigentlich wäre dem kaum etwas hinzuzufügen, denn die vorliegende Einspielung von gleich drei Flötenkonzerten ist eindeutig als «artig» zu bezeichnen: im Sinne von manierlich und gesittet, aufmerksam, vielleicht auch galant – auf jeden Fall aber als langweilig. Denn was Johannes Moesus mit dem klein besetzten Württembergisches Kammerorchester Heilbronn im Tutti bietet, erinnert eher an die Trägheit größerer Ensembles – zumal bei einer Musik, die eher Empfindsamkeit im Detail fordert.

Im selben Jahr wie Beethoven geboren, wurde aus dem soliden Schneider wahrlich kein zweiter «Ludwig», aber das hat von dem begnadeten Hornisten und mit Gespür für den wahren Ausdruck begabten Komponisten auch niemand ernstlich verlangt. Und dennoch spielt mir das Württembergische Kammerorchester Heilbronn an zu vielen Stellen allzu «groß» auf, ohne diesen Gestus zu erfüllen oder der Musik wirklich näher zu kommen. Mir klingt da vieles zu pauschal, wenn nicht gar austauschbar. Wie würde diese eher im 18. Jahrhundert verhaftete Musik wohl klingen, wenn man sie aufführungspraktisch mehr beleben würde? Auch der Solopart wird auf einem modernen Instrument mit zu viel Druck gespielt, unbesehen der keineswegs in Frage zu stellenden Fertigkeiten einer Gaby Pas-Van Riet. – Und so handelt es sich um eine Produktion, die ich letztlich als verschenkt empfinde. Sie klingt, wie ich schon vor weit mehr als 30 Jahren vor-, früh- oder gar hochklassische Musik auf LP gehört habe. Ein Anachronismus, unter dem hier die Konzerte des armen Schneider zu leiden haben.

Georg Abraham Schneider. Konzert für Flöte und Orchester a-Moll op. 53; Konzert für Flöte und Orchester G-Dur op. 12; Konzert für Flöte und Orchester e-Moll o. 63
Gaby Pas-Van Riet (Flöte), Württembergisches Kammerorchester Heilbronn, Johannes Moesus

cpo 555 390-2 (2020)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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Teil 2 von 5 in Michael Kubes HörBar #066 – Querflöte