Eine eigene musikalische Welt stoßen hier Matthias Engelke und Maraile Lichdi auf. Natürlich, wer macht das nicht oder hätte nicht diesen Anspruch. Die eigene Welt hier ist keine gänzlich unbekannte, aber doch nie Gehörte. Diese CD mit ihrem wunderbaren Artwork in Booklet und Cover ist gleichwohl speziell und von unerhörter Faszination. Die Kompositionen begeben sich in einer Mischung aus Original-Klängen (Musique concrète) und mittels weiterer technischer Verfahren verfremdeter Klänge auf Wanderschaft in subtilste Klangmischungen und rhythmische Muster.
Wie soll man das erklären. Die Musik tänzelt gewissermaßen auf Stiltechniken neuer Musik, improvisierter Wirkung und extremer Reduktion des Materials. Darin entschwebt die solistische oder vervielfachte Sopranstimme von Maraile Lichdi, die wie feinster Stahl die Klanglandschaft aus der Kompositionsdose wie ein heißes Messer in Butter teilt oder mal pikst oder eben darüber zu entfleuchen scheint.
Das ist modernste mittelalterliche Musik. Archaisch, klangfigurativ, repetitiv gemischte Muster darinnen halten das Klanggebäude zusammen. Kathedralös, wie Licht bunt gefächert im so dunklen wie reichhaltigen Raum – deutlich knapp auch mal am Kitschton vorbei. Unscharf und präzise in eins. Diesig und klar zugleich. Ein unendlicher Strom und doch gebändigt. Erstarrende Poesie. Erlösend und beklemmend. Trivial und komplex.
Nix für ganz Nebenbei, nix für verklemmtes analytisches Hören. Schön, dass die Garderobe der Avantgarde ein bisschen durchgeklopft wird. Wunderwerk!
Matthias Engelke: Zeitfrei (2022)
- Matthias Engelke, Komposition, Elektronik, Klavier
- Maraile Lichdi (Sopran)
Gruenrekorder, Gruen 208
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