Die Platte hatte sich in einem Haufen anderer CDs versteckt und kam nun zum Vorschein. Aber lieber spät als nie. Und man kann es auch sogar ganz kurz machen. Nöligkeit kann so erfrischend klingen, wenn man sie nur wirklich zulässt. Jedenfalls erzeugt der Einsatz von Mikrotonalität hier gerne diesen Sprung im Downgrade von Ekstase. Da wird schon mal eine Tonleiter abwärts zum Ereignis wie in „Head Quarter“ und zur Herausforderung ans Ohr.
Was ist es? Mikrotonale Verschiebungen sind wir sehr gewohnt zu hören in der direkten Abweichung. Die alten nach Etüden klingenden Stücke von Iwan Alexandrowitsch Wyschnegradsky und Co strapazieren dieses Tongeschiebe zur Gewohnheit – und auch das findet man auf dieser CD, hörtmalher wie bei „F.J.D.“. Aber das ist dann olles Kamellentum; und es reicht den Musikern hier auch deutlich nicht.
Was es braucht für diese Tonalität sind aber die ganzen neuen Intervalle und Harmonien, die ja bis ins Unendliche reichen und daher so schwer fassbar sind und zugleich damit die harmonische Schwerkraft zentral aushebeln. Da ist diese Tonleiter hier eher wie ein Sprungbrett für scheppe Klangreisen. Oder wenn bei Schaefers „Ankunft“ im Wiegetonfall die Lunte in Richtung, jetzt wird aber mal gesülzt, gelegt wird, dann aber diese mikrotonale Sülze es einem nicht leicht macht, es sich wie auf einem musikalischen Flokati bequem zu machen (obwohl, man weiß eigentlich nie, was sich da in so einem Langhaarfell tatsächlich versteckt – gulb-schluck), .
So kann man sagen, öffnen sich bei dieser CD Himmel und Boden gleichzeitig. Das ist packend, denn die die Musiker halten sich sehr wohl fest wie in einem magnetischen Feld aus Anziehung und Abstoßung. Dass der Mikrotonalität hier vom Titel schon her ein Mikropuls zur Seite und zur Grundfläche wie zum Kontrapunkt gestellt wird, das mag sein. Das wäre für mein Gefühl dann als Elastizität spürbar – dagegen wären mikrotonale eine Petitesse.
Ullmann, Lüdemann, Potratz, Schaefer: Mikropuls
Gebhard Ullmann (tenor sax), Hans Lüdemann (piano, virtual piano), Oliver Potratz (double bass), Eric Schaefer (drums)
mikroPULS (Intuition 2019)