Wer erinnert sich nicht an jene Aufnahmen «frühklassischer» Musik, die schon nach nur wenigen Takten deutlich werden ließen, was die Interpreten über den Stellenwert der eingespielten Werke dachten. Lange schon gehört diese Zeit des 20. Jahrhunderts der Vergangenheit an. Und doch ist es nicht allein eine Frage der Aufführungspraxis, sondern auch der inneren Herangehensweise. Nur wenn Zugang und Perspektive stimmen, kann Schönes, Besonderes gelingen.
So auch hier bei Cembalokonzerten aus dem steirischen Raum und einem Repertoire, das die Zeiten eher zufällig überdauert hat. Als 1941 auf Schloss Wurmberg (unweit des heute slowenischen Maribor gelegen) ein alter Kachelofen abgebrochen wurde, kam ein geschnürtes Notenbündel zutage mit Klaviersonaten und kleineren Stücken, vor allem aber mit 31(!) Klavierkonzerten. Alle diese Werke sind spätestens im dritten Viertel des 18. Jahrhunderts entstanden, bei den meisten handelt es sich gar um Unikate. Längst katalogisiert und sicher aufbewahrt, ist die Sammlung dennoch weithin unbekannt geblieben, da eine Herausgabe im Druck vermutlich mit Blick auf die «kleinen» Komponisten wenig lohnend, mindestens aber zu aufwendig erschien. Denn wer hat (Wagenseil einmal ausgenommen) bisher je etwas von Johann Adam Scheibl oder Johann Michael Steinbacher gehört, ganz abgesehen von einem gewissen «Casteli» oder «Anonymus»? Die Fülle der Quellen dokumentiert jedenfalls eine lokale, jedoch recht lebendige Musikkultur. Darauf deutet auch hin, dass es jemand ein Anliegen war, die Manuskripte für wen auch immer zu bewahren – um sie dann doch zu vergessen.
Michael Hell und die Neue Hofkapelle Graz sind bei dieser Produktion Überzeugungstäter im doppelten Sinne. Denn nicht nur ist ihnen diese Musik hörbar ans Herz gewachsen, es gelingt ihnen auch, dies in jedem Takt zu vermitteln. Witz und Kantabilität, Ton und Ausdruck fügen sich zusammen und verbreiten ein Gefühl selbstverständlicher Entspanntheit. Da wird nicht aufgesetzt oder gewollt, wo die Musik bisweilen nicht viel mehr als sich selbst in ihrer Gefälligkeit zu bieten hat. Dazu passt die kleine, gelegentlich auch solistische Besetzung der Streicher wie auch die Wahl des Cembalos: eines Instruments von Johann Leydecker mit so genannter Wiener Bassoktave – im Original wie auch im Nachbau von Martin Pühringer (beide in Graz). Ein in jeder Weise anregendes Album, das darüber hinaus beste Unterhaltung und Zerstreuung bietet.
Steirische Cembalokonzerte
- Johann Adam Scheibl: Concerto C-Dur;
- Georg Christoph Wagenseil: Concerto g-Moll;
- Johann Michael Steinbacher: Pastorella G-Dur;
- Casteli: Concerto G-Dur;
- Anonymus: Concerto C-Dur;
- Johann Michael Steinbacher: Pastorella G-Dur; Prelude a-Moll und Concerto a-Moll
- Georg Christoph Wagenseil: Concerto F-Dur
Michael Hell (Cembalo), Neue Hofkapelle Graz
cpo 555 269-2 (2018)