21. November 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Schostakowitsch 11 / Eliahu Inbal

Schostakowitsch 11 / Eliahu Inbal
Schostakowitsch 11 / Eliahu Inbal

Wer erinnert sich nicht an die fulminante Einspielung der Mahler-Sinfonien, mit der in den Jahren zwischen 1984 und 1992 Eliahu Inbal gemeinsam mit dem damaligen RSO Frankfurt ein Stück interpretationsgeschichte schrieb. Es war der erste digitale Zyklus (erschienen bei Denon), zugleich hatte die Tontechnik brillante Arbeit geleistet. Zuvor hatte Inbal für die damals weitgehend ungespielten ersten Fassungen einiger Bruckner-Sinfonien eine Lanze gebrochen (Teldec). Sein Schostakowitsch-Zyklus mit den Wiener Symphonikern (ebenso bei Denon, erschienen in den 1990er Jahren) konnte allerdings nicht an diese großen Erfolge anknüpfen und ist physisch aktuell nicht mehr im Katalog.

Nachdem es in den vergangenen Jahren immer ruhiger um den 1936 geborenen Inbal geworden war (er ist allerdings noch immer als Chef tätig ist, derzeit in Taipeh), überrascht nun der SWR auf dem hauseigenen Label mit einer Aufnahme von Dmitri Schostakowitschs 11. Sinfonie. Im November 2018 in der Stuttgarter Liederhalle entstanden, fällt die Einspielung in eine für das Orchester markante Zeit der Neuformierung und des Wechsels: Nur zwei Jahre zuvor war die aus verschiedenen Gründen ungute Fusion mit dem Orchester aus Baden-Baden und Freiburg durchgezogen worden, die Saison 2018/19 bildete zudem die erste unter Teodor Currentzis. So ist das auch im Booklet in der obligatorischen Selbstdarstellung des Orchesters vermerkt, nur dass der Hinweis, Schostakowitsch sei auch ein Schwerpunkt dieser (nämlich Currentzis’ erster) Saison gewesen, der Aufnahme unter Inbal seltsam in den Rücken fällt.

Dabei verdient die Interpretation des Altmeisters Respekt und Aufmerksamkeit: So sind die Spielzeiten (das Finale ausgenommen) gegenüber denen der Wiener Produktion nochmals deutlich reduziert. Dass dennoch nichts eilig wirkt, im Gegenteil sogar ein bewundernswerter Fluss im Adagio zustande kommt, ist als großer Pluspunkt zu werten, ebenso die für Inbal so charakteristische Durchhörbarkeit der Partitur. Nur: nicht alle Passagen (insbesondere der Bläser) können gleichermaßen klanglich-akustisch überzeugen. In der Liederhalle klingt das Orchester zu distanziert und unterkühlt für das die vorrevolutionären Ereignisse des Jahres 1905 reflektierende viersätzige sinfonische Epos. Dies gilt zumal für den finalen Marsch und das Sturmgeläut.


Dmitri Schostakowitsch. Sinfonie Nr. 11 g-Moll op. 103 (Das Jahr 1905)
SWR Symphonieorchester, Eliahu Inbal

SWR Classic SWR19106CD (2018)

 

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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Teil 1 von 5 in Michael Kubes HörBar #039 – Sinfonisches