Eine CD, bei der Stille hörbar wird. Auch wenn es für mich immer ein Problem darstellt, wenn eine künstlerische Äußerung als höchst persönliche Seelentherapie ihres Schöpfers offenbart wird (ist in einem solchen Fall die kritische Auseinandersetzung nicht von Anfang an moralisch-ethisch kompromittiert?), so drängt sich hier nichts auf. Im Gegenteil: Bjørn Charles Dreyer tastet sich mit E-Gitarre oder Piano vorsichtig voran, klanglich unterstützt von einzelnen Musikern und dem Sinfonieorchester aus dem norwegischen Kristiansand.
Sinfonisch wird es allerdings an keiner Stelle – eher sind es einzelne und zudem elektronisch verfremdete Klänge, die zu dem persönlichen Threnos hinzutreten, die Gegenwart in Zeitlupe an einem vorüberziehen lassen. Das alles hat Stil. Kein Moment greift den Hörer manipulierend an, keine Wendung will überreden. Und genau darin liegt dann auch die Stärke dieses Albums, das alle Grenzen überwindet: Der mit wenigen Klängen entfaltete, schwebende Tonraum ist im emotionalen Bereich zwischen Meditation und Trauer so abstrakt und distanziert gehalten, dass es ganz dem Hörer überlassen bliebt, welche Erinnerungen und Bilder der Ruhe oder des eigenen Verlustes aufgerufen werden.
Bjørn Charles Dreyer: Time and Mass. – Undying-Dying, Entirety for Guitar, Electronics and Orchestra, Entirety for Guitar and Electronics, Germinal, Beneath the Lilac, Time and Mass, The Always Juvenilia, State of Fruition
Bjørn Charles Dreyer, Kristiansand Symphony OrchestraNXN 4003 (2020)
- Christopher Tyler Nickel: Symphony No. 2
- Christopher Gunning
- Occurrence – ISO Project Vol. 3
- Clara Iannotta
- Bjørn Charles Dreyer: Time and Mass