21. November 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Occurrence – ISO Project Vol. 3

Occurrence
Occurrence

Mit dieser CD schließt ein kleiner, doch konzeptionell wie musikalisch sensationeller Zyklus ab: drei CDs mit nicht weniger als 14 Werken von elf isländischen Komponist:innen, gespielt vom Isländischen Sinfonieorchester, erschienen im Rhythmus von zwei Jahren. Allein die Titel der Alben zeugen von einer beeindruckenden Planung und Dramaturgie, die anders als viele Eintagsfliegen nicht den schnellen Erfolg sucht, sondern überzeugen will: Recurrence, Concurrence und Occurrence.

Hier geht es allein um Qualität, und dies in dreifacher Hinsicht, nämlich kompositorisch, interpretatorisch wie auch aufnahmetechnisch. Jedes Album enthält neben der üblichen CD auch eine hochauflösende Audio Blu-ray Disc im Surround Sound (das Orchester sitzt tatsächlich im Kreis), darüber hinaus sind die hervorragend einstudierten Realisierungen maßstabsetzend. Doch auch (und vor allem) kompositorisch überzeugen die Produktionen mit hochkarätigen Partituren von der unter dem Eis heiß brodelnden Insel – so unterschiedlich diese auch sein mögen.

Im Fall von Occurrence ist es zunächst das Violinkonzert von Daniel Bjarnason (geb. 1979), anspruchsvoll im Solopart (zu dem hier Pekka Kuusisto auch noch zu pfeifen hat), aber ebenso in sich schlüssig gestaltet; und es hat das Zeug, sich als ein Werk im Repertoire zu etablieren. Wie «schön» die Landschaft Islands klingen kann, erkundet Veronique Vaka (geb. 1986) mit ihrer Komposition Lendh, bei der geologische und geographische Linien in die Notation eingeflossen sind – als eine organisch webende Klanggestalt, die ein wenig in der Tradition von Ligetis Lontano steht, ohne sich jedoch mikrotonal zu verknäulen. Wie glitzernde Spiegelungen muten die hellen Impulse In Seventh Heaven von Haukur Tómasson (geb. 1960) an, und Puridur Þuríður Jónsdóttir (geb. 1967) hat mit Flutter ein inspirierendes Werk mit Soloflöte und Zuspielungen von Naturgeräuschen geschaffen (intensiv und mit deutlich weniger Grandezza als Rautavaaras Cantus Arcticus von 1972). Dass am Ende ein Adagio von Magnús Blöndal Jóhannsson (1925–2005) steht, darf als unaufgeregte Reverenz an einen der ersten isländischen «Modernisten» gesehen werden.


Occurrence

  • Daniel Bjarnason: Violin Concerto
  • Veronique Vaka: Lendh
  • Haukur Tómasson: In Seventh Heaven
  • Þuríður Jónsdóttir: Flutter
  • Magnús Blöndal Jóhannsson: Adagio

Pekka Kuusisto (Violine), Mario Caroli (Flöte), Iceland Symphony Orchestra, Daniel Bjarnason

Solo Luminus DSL-92243 (2018, 2019, 2020)

 

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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Teil 3 von 5 in Michael Kubes HörBar #037 – Klanggestalten