21. November 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

The Saint and the Sultan – Pera Ensemble

The Saint and the Sultan – Pera Ensemble
The Saint and the Sultan – Pera Ensemble

Es müssen furchtbare Zeiten gewesen sein, als die Römische Kirche einmal wieder zum Kreuzzug gen Jerusalem aufrief und Franz von Assisi einem prachtliebenden Papst seine asketische Sicht auf den Glauben entgegensetzte. Musikalisch bildete zu jener Zeit offenbar das Mittelmeer noch einen lebendigen kulturellen Transferraum, über den sich Orient und Okzident austauschten. Davon versucht diese Doppel-CD des in Istanbul gegründeten Pera Ensembles zu erzählen.

Tatsächlich hört sich vieles verblüffend verwandt an. Doch genau hier muss Kritik ansetzen: Überliefert sind allenfalls Texte und Melodiegerüste – alles andere ist freie Improvisation. Wirklich historisch im engeren Sinne ist dieser Ansatz nicht. Auch erinnern die so eingängigen wie schwungvollen Arrangements mehr an griffigen Ethnopop und Filmscore. Ob das Sufilied «Entel Hadi Entel Hak» wirklich derart periodisch in 2-4-8-Takt-Phrasen unterteilt war? Im Booklet finden sich nur wenige weiterführende Informationen zu den aufführungspraktischen Überlegungen und Entscheidungen. Zwar werden zu jeder Nummer Geschichten erzählt, am Ende aber bleibt es bei solchen Momentaufnahmen, wo doch vielleicht ein breites Gesamt-Panorama mehr Verständnis in die Zusammenhänge vermittelt hätte: 1219 war das Jahr, in dem Franz von Assisi in Ägypten während eines Waffenstillstands die Begegnung mit Sultan Al-Malik Al-Kamil suchte – ein Ereignis, das 2019 leider nur am Rande bemerkt wurde und das mit dieser CD-Produktion musikalisch eher polarisiert als vertieft.


1219 – The Saint and the Sultan. Franz von Assisi trifft Sultan Al Malik
Pera Ensemble, Mehmet Cemal Yeşilçay

Berlin Classics 0301383 BC (2019)

 

 

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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Teil 4 von 5 in Michael Kubes HörBar #025 – Mittelalterliche Musik