21. November 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Malcolm Arnold: The Dancing Master

Malcolm Arnold: The Dancing Master
Malcolm Arnold: The Dancing Master

«too bawdy for family audiences» – zu schlüpfrig für Familienpublikum. Diese knappen Worte reichten aus, dass sich im Jahre 1952 die BBC von dieser ursprünglich für das Fernsehen bestimmten Oper zurückzog. Heute kann man sich über dieses Urteil angesichts des spritzig-witzigen, mitunter auch doppeldeutigen Librettos von The Dancing Master nur wundern – oder mit Blick auf das enge Sittenkorsett jener Zeit eben auch nicht.

Allerdings: glückliche Zeit, als vor 70 Jahren überhaupt noch längere musikalische Werke für den gar nicht so weit verbreiteten Flimmerkasten in Auftrag gegeben wurden! Mit dem vernichtenden Urteil verschwand die Partitur in der Schublade, obwohl Malcolm Arnold sich gerade anschickte, mit Sinfonien, Konzerten und Filmmusiken auf den Höhepunkt seines schöpferischen Wirkens zuzusteuern. 1962 kam es zu einer privaten Aufführung mit dem Komponisten am Klavier, kurz vor Arnolds Tod entstand eine (unveröffentlichte) Studioproduktion, erst 2012 folgte eine semiszenische Umsetzung in Northampton.

Dass der ca. 75 Minuten Spielzeit umfassende Einakter nach so vielen Jahrzehnten noch immer begeistern kann, ist sowohl der kurzweiligen Komposition wie auch der nun vorliegenden famosen Einspielung zu verdanken. Arnold schreibt (wie meist) zwar konservativ, aber flüssig, und er weiß, wo er Akzente oder auch Kontemplatives zu setzen hat. Das Ensemble ist dafür bestens aufgestellt – so etwa mit Fiona Kimm als stimmlich strenge Tante Mrs Caution (der Name ist Programm), der charakteristischen Eleanor Dennis (als Nichte Miranda), Graeme Broadbent als ihr Spanien-verrückter Vater, Ed Lyon mit einem typisch «britisch» temperierten Tenor (als der werbende Gerard) oder Mark Wilde, der die Rolle des «Monsieur» mit herrlich übertriebenem französischen Akzent lebendig ausfüllt. Das BBC Concert Orchestra spielt unter der Leitung von John Andrews sowohl die sinfonisch griffigen wie auch die kammermusikalischen Passagen fulminant aus. Eine Produktion, die rundum für beste Unterhaltung sorgt.


Malcolm Arnold: The Dancing Master op. 34 (1952)
Eleanor Dennis (Sopran), Catherine Carby (Mezzo), Fiona Kimm (Contralto), Ed Lyon (Tenor), Mark Wilde (Tenor), Graeme Broadbent (Bass-Bariton), BBC Concert Orchestra, John Andrews

Resonus Classics RES 10269 (2020)

 

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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