Die Musik von Franz Schreker ist im Plattenschrank wahrlich keine Rarität mehr – auch wenn einige Aufnahmen schon lange wieder vergriffen sind. Dass Schreker dennoch für viele „Professionals“ wie Liebhaber noch immer ein unbeschriebenes Blatt darstellt, ist Folge vielfältiger historischer Konstellationen. Da wäre zunächst das frühzeitige Stören und dann Abschneiden seiner Karriere durch die Nationalsozialisten sowie sein nur kurz darauf folgender Tod, die das Œuvre in Vergessenheit geraten ließen. Nach dem Zweiten Weltkrieg galt Schrekers faszinierend flirrende spätromantische Klangsprache lange Zeit als überkommen, sie passte schlichtweg nicht in die vorherrschende Ästhetik. Seit den 1980er Jahren ist das Interesse an seinen Kompositionen kontinuierlich gestiegen, das Wissen um Biographie und Wirken größer geworden. Auf den Spielplänen der Bühnen konkurrieren Schrekers Opern inzwischen mit den Werken seiner Zeitgenossen – die freilich auch gegenüber Mozart, Verdi und Wagner viel zu selten gespielt werden.
Dass sich das Label cpo an eine Gesamteinspielung der Orchesterwerke macht, mutet nur folgerichtig an. Allerdings gilt es zu berücksichtigen, dass die Einspielung bereits 2014 (also vor sechs Jahren) entstand – ein beträchtlicher Zeitraum angesichts der noch jungen, wieder auflebenden Rezeption. Eigentlich ist dieser Umstand mit Rücksicht auf die diversen Produktionszyklen kaum der Erwähnung wert. Pflügt man sich indes durch das Booklet mit seinem (allzu) persönlich gehaltenen, in seiner Länglichkeit auch unübersichtlichen Essay, so hätte dies auch reflektiert werden können. Zudem ist es ja nicht so, dass alles wirklich „neu“ ist: Bis auf die frühe Sinfonie op. 1 (1899) liegen die anderen Werke schon in Einspielungen vor, etwa mit dem Luzerner Sinfonieorchester unter John Axelrod. Die nun vorliegende Einspielung selbst überzeugt durch eine kompakte Ausgewogenheit, wobei mir der untere Frequenzbereich zu stark hervortritt und teilweise Binnenstrukturen überdeckt. Steven Sloane und die von ihm in 26 Jahren geprägten Bochumer Symphoniker realisieren die groß besetzten Partituren auf gutem Niveau, doch auch zu sehr auf Sicherheit bedacht: Mir fehlt jene ausgeprägte Selbstverständlichkeit und Leichtigkeit, bei denen etwa Farbwechsel, Ritardandi oder gestische Höhepunkte nicht bloß einstudiert wirken.
Franz Schreker. Sinfonie Nr. 1 a-Moll, Intermezzo op. 8, Festwalzer und Walzerintermezzo, Valse lente, Suite «Der Geburtstag der Infantin»
Bochumer Symphoniker, Steven Sloane
cpo 777 702-2 (2014)
- Schreker: Complete Orchestral Works Vol. 1 – Bochumer Symphoniker / Steven Sloane
- Beethoven / Barry – Britten Sinfonia / Thomas Adès
- Rott: Orchestral Works – Gürzenich Orchester Köln / Ward
- Brahms: Sinfonien – Wiener Symphoniker / Philippe Jordan
- Lento religioso – Amsterdam Sinfonietta / Candida Thompson