Die griechische Mythologie ist schon länger ein Gravitationszentrum im künstlerischen Kompass von Rolf Riehm, der Mythos als narratives Möglichkeitsfeld von Erkenntnis. Gediegen bildungsbürgerlich wird das bei Riehm aber nie. „Die schrecklich-gewaltigen Kinder“ (2012), hier in einem bezwingenden Live-Mitschnitt der Frankfurter Uraufführung mit dem Ensemble Modern zu hören, basiert zum Großteil auf der „Theogonie“ von Hesiod, ein Urmythos der Unterdrückung mitsamt daraus resultierendem Vatermord. Riehm hat daraus ein Epos gemacht, das über weite Strecken monodisch von einem aberwitzigen Koloratursopran getragen wird, dessen „Erzählung“ zwischen fragmentarischen Text-Bildern und vokaler Abstraktion schwankt.
Der sopranistische Extremismus von Piia Komsi (ein Wahnsinn) wird grundiert von einer kantigen, archaisch-allusorischen Klangrhetorik mit grobem Schlagwerk und schrundigem Blech, die insbesondere die „Tonbilder“ von Uranos und Gäa zu gewaltigen Exemplifizierungen des Schreckens macht. „Die Beziehungen der Menschen sind auf Gewalt gegründet“, sagt Rolf Riehm und das gilt auch für „O Daddy“ für Orchester und Zuspielungen (1984) explizit mit Blick auf einen spektakulären Vatermord (aus dem wirklichen Leben). Riehms frühere Collage-Ästhetik tritt hier mit beeindruckender Wucht und Dichte in Erscheinung, brutale Setzungen und Überstrapazierungen subjektiver Erregung oder medialer Berichterstattung. (Wergo)
Rolf Riehm: Die schrecklich-gewaltigen Kinder für Koloratursopran & großes Ensemble :::
Piia Komsi, Ensemble Modern, SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg, Kazimierz Kord :::
Wergo, 8719599