14. November 2025 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Arvo Pärt – For Arvo

Arvo Pärt – For Arvo
Arvo Pärt – For Arvo
Ein Komponistenleben «in a nutshell». Denn Georgijs Osokins reist mit diesem Album durch den gesamten Klangkosmos von Arvo Pärt, der auch all jene Werke umfasst, die vor den 1970er Jahren und dem Tintinnabuli-Stil entstanden sind. Man hat fast den Eindruck, es wären nicht nur zwei ganz unterschiedliche, sondern mehr noch gegensätzliche Œuvres versammelt. Wenn da nicht hier und da einige Klänge, Gesten und Pausen wären, die beim Hören wie eine viele Lichtjahre entfernte Vorahnung erscheinen (etwa im Larghetto der Partita op. 2), sich dann aber in einem anderen Kontext ganz anders entwickeln. Vielleicht lohnt sich sogar, auf eine derartige Spurensuche und -sicherung zu gehen?

Interpretatorisch gelingt Georgijs Osokins auf diesem Album jedenfalls der Spagat zwischen den Welten – auch, weil er an den fraglichen Stellen offenbar genau und doppelt hingehört hat. Sein flüssiges Spiel, dem gleichermaßen der pianistisch zupackende Griff wie die weit aussingende Linie vertraut ist, leitet einen durch die 70 Minuten – übrigens mit einer direkten Mikrophonierung, die den Flügel ebenso trocken und kantig wie weich und mit Pedal verhallend eingefangen hat. Ein Album, das mehr bietet als nur ein virtuoses Arrangement von Fratres oder die Kargheit von Für Alina. Bemerkenswert.

For Arvo
Arvo Pärt. Für Alina (1976); Variationen zur Gesundung von Arinuschka (1977); Fratres (1977); Ukuaru Walzer (1973, rev. 2010); Leichte Tanzstücke für Klavier (1956, rev. 1957); Mommy’s Kiss (1968); Pari intervallo (1976); Sonatinen op. 1 (1958/59); Hymn to a Great City (1984, rev. 2004); Diagramme op. 11 (1964); Partita op. 2 (1958); Fragile aus: Lamentate (2002);
Georgijs Osokins (Klavier)

Deutsche Grammophon 486 7672 (2024)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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This entry is part 4 of 5 in the series HörBar #167 – Arvo Pärt 90