Arvo Pärt – And I heard a voiceOffensichtlich treffen estnische Ensembles den Ton der Musik von Arvo Pärt am besten. Jedenfalls kann man einmal mehr diesen Eindruck bei dem aktuellen Album mit dem Vokalensemble Vox Clamantis unter Jaan-Eik Tulve gewinnen – ein Album, das (wie so oft bei ECM) einen Referenz-Status erreicht. Ohne auch nur im Ansatz ein Vibrato zu erzeugen, zelebrieren die exzellenten Vokalisten diese karge und zugleich warme Klangwelt zwischen irdischem Glauben und himmlischen Sphären.
Hier sind es Werke, die nach der Jahrtausendwende entstanden, also vergleichsweise «neu» anmuten und längst nicht mehr dem Tintinabuli-Stil in asketischer Strenge verbunden sind. So entfalten sich diatonische und mitunter gar sequenzierende Linien über längere Distanzen, ohne am Ende kantig abzubrechen. Gleichwohl haben die an zentralen Punkten einsetzenden homophonen Bündelungen mit ihren Dur- oder Moll-Akkorden nichts an Stahlkraft verloren. Wohl auch, weil das Vokalensemble Vox Clamantis rein intoniert und sich somit die (wieder einmal) weiträumige Akustik vollkommen zunutze macht.
Arvo Pärt – I heard a Voice
Nunc dimittis (2001); O Holy Father Nicholas (2021); Sieben Magnificat-Antiphonen (1988, rev. 1991); Für Jan van Eyck (2020); Kleine Litanei (2015); Ja ma kuulsin hääle (And I heard a voice, 2017)
Ene Salumäe (Orgel), Vox Clamantis, Jaan-Eik Tulve ECM 2780 (2021/22)
Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.