Philip Glass – Tana QuartetEs bleibt erstaunlich, wie Philip Glass sich und seine Patterns immer wieder neu erfindet. Die innere Kraft einer noch lange nicht erschöpften Tonalität steht ihm dabei zur Seite – so auch in den Streichquartetten Nr. 8 (2018) und Nr. 9 (2021). Zwei Werke, die sich dann aber doch recht unterschiedlich mit der Gattung auseinandersetzen. Der dem Album beigegebene, äußerst knappe Kommentar, die Nr. 8 sei «Schubertian in nature», ist freilich missverständlich. Man kann ihn auf die Länge(n) und Sequenzen beziehen, oder auch mehr auf die Faktur und den Wechsel der Melodie zwischen Oberstimme und Bass. Aber das war’s dann auch schon.
Bei der Nr. 9 handelt es sich um die Konzertversion einer Schauspielmusik zu einer Broadway-Produktion von Shakespeares King Lear. Ob sich in der Partitur aber auch die Charaktere und Schlüsselszenen widerspiegeln? Tatsächlich atmet das Stück ein wenig mehr rhythmische Zurückhaltung. Doch reicht das? Am Ende wird man Glass in einer neuen Facette hören und erleben. Das Erstaunliche dabei: Die mit der Gattung und den vier Instrumenten verbundene Klarheit der Faktur und des Ausdrucks kommt ihm entgegen: «I know how to write for string quartet. I love its range of emotion.» Und so hört man in der Reduktion tatsächlich auch weniger Floskeln. – Das Tana Quartet spielt sich gerade poetisch durch die Melodien und Patterns und verleiht ihnen von Satz zu Satz eine verblüffende Individualität.
Philip Glass. Streichquartett Nr. 9 (2021) «King Lear»; Streichquartett Nr. 8 (2018)
Tana Quartet Soonds SND 22020 (2021)
Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.