Und die Musik? Ich gebe zu, bisher noch nichts von Robert Groslot gehört zu haben, obwohl sein Werkkatalog (Kalevi Aho vergleichbar) nach der Anzahl der Opusnummern bereits erheblich ist und eine ganze Reihe von Solokonzerten für die verschiedensten Orchesterinstrumente aufweist. Stilistisch knüpft Groslot an die bis weit ins 20. Jahrhundert nachwirkende Spätromantik an. Harmonisch frei und doch tonal stark gebunden, melodisch in weiten Linien denkend und mit einer sehr natürlichen, idiomatischen Orchesterbehandlung überzeugen seine Partituren tatsächlich. Es gibt Passagen, die an Mahler erinnern, andere an Sibelius, wieder anderes nahezu wörtlich an Allan Pettersson (3. Satz der Sinfonie bei 06.50) – aber solche Allusionen finden sich auch bei anderen Komponisten und sollten eher ein Zeichen dafür sein, wie sehr sich Groslot dem Traditionsraum verbunden fühlt. Linos Roth lässt im Konzert die Linien natürlich gleiten und fängt die teilweise wie aus dem Äther kommenden Töne vorzüglich ein (die Studiotechnik assistierte dabei auf werkdienliche Weise). Dass mir die Sinfonie weniger geschlossen anmutet, ist ohne Partitur vor Augen zunächst eine Frage des persönlichen Geschmacks. Übrigens: Erst aus der Tracklist geht hervor, dass der Komponist die Einspielungen selbst dirigiert hat.
Robert Groslot. Violinkonzert Nr. 2 op. 129 (2020); Sinfonie Nr. 1 op. 130 «Now, Voyager, sail…» (2020)
Linus Roth (Violine), Brussels Philharmonic, Robert Groslot
Antarctica AR 046 (2020, 2021)