15. Juni 2025 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Robert Groslot

Robert Groslot
Robert Groslot
Noch einmal eine Einspielung, die aus der Zeit der weitgehenden «Generalpause» stammt. Deutlich wird das erst, wenn man sich die Aufnahmedaten anschaut. Denn Linus Roth hat den Solopart des zweiten Violinkonzerts von Robert Groslot (*1951) bereits am 19. April 2020 eingespielt; die «orchestral recording» jedoch stammt vom 3. September aus einem anderen Studio. Zwar mag man sich darüber ein wenig wundern, aber das klingende Ergebnis verblüfft. Hier passt trotz allem alles zusammen, und man spürt nichts von den technischen Tricks, mit denen die eine oder andere logistische Hürde umgangen wurde (über die Hintergründe schweigt sich das Booklet aus).

Und die Musik? Ich gebe zu, bisher noch nichts von Robert Groslot gehört zu haben, obwohl sein Werkkatalog (Kalevi Aho vergleichbar) nach der Anzahl der Opusnummern bereits erheblich ist und eine ganze Reihe von Solokonzerten für die verschiedensten Orchesterinstrumente aufweist. Stilistisch knüpft Groslot an die bis weit ins 20. Jahrhundert nachwirkende Spätromantik an. Harmonisch frei und doch tonal stark gebunden, melodisch in weiten Linien denkend und mit einer sehr natürlichen, idiomatischen Orchesterbehandlung überzeugen seine Partituren tatsächlich. Es gibt Passagen, die an Mahler erinnern, andere an Sibelius, wieder anderes nahezu wörtlich an Allan Pettersson (3. Satz der Sinfonie bei 06.50) – aber solche Allusionen finden sich auch bei anderen Komponisten und sollten eher ein Zeichen dafür sein, wie sehr sich Groslot dem Traditionsraum verbunden fühlt. Linos Roth lässt im Konzert die Linien natürlich gleiten und fängt die teilweise wie aus dem Äther kommenden Töne vorzüglich ein (die Studiotechnik assistierte dabei auf werkdienliche Weise). Dass mir die Sinfonie weniger geschlossen anmutet, ist ohne Partitur vor Augen zunächst eine Frage des persönlichen Geschmacks. Übrigens: Erst aus der Tracklist geht hervor, dass der Komponist die Einspielungen selbst dirigiert hat.

Robert Groslot. Violinkonzert Nr. 2 op. 129 (2020); Sinfonie Nr. 1 op. 130 «Now, Voyager, sail…» (2020)
Linus Roth (Violine), Brussels Philharmonic, Robert Groslot

Antarctica AR 046 (2020, 2021)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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