25. Juni 2025 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Orgel + Blockflöte

Orgel + Blockflöte
Orgel + Blockflöte
Eine Besetzung voller klanglicher Synergien. Denn Orgel und Blockflöte ergänzen sich wundervoll – und dies nicht allein, weil auch das Tasteninstrument in der Regel über namentlich identische Register verfügt, sondern weil bei noch viel mehreren die Art der Tonerzeugung identisch ist. Eine Besetzung aber auch, die die «richtigen» Instrumente verlangt. Auf diesem Album etwa sind es verschiedene Nachbauten barocker und prä-barocker Instrumente, die von Charlotte Schneider werkspezifisch eingesetzt werden; bei der Orgel handelt es sich um das zauberhafte Instrument im Seitenschiff der Abteikirche im schweizerischen Payerne aus der Werkstatt von Jürgen Ahrend. Die 1999 eingeweihte Orgel basiert auf transalpinen italienischen Vorbildern, klingt aber nicht so spitzt, sondern zeichnet sich durch einen runden und vollen Klang aus.

Mehr aber noch ist es die mitteltönige Stimmung, die auf diesem Album zu einem Hörerlebnis wird. Die reinen Terzen verleihen vielen heute manchmal müde wirkenden diatonischen Kompositionen eine berückende Klarheit und Kraft, während bei chromatischen Kompositionen nicht nur der «böse Wolf» (also die Wolfsquinte) in den Vordergrund rückt, sondern sich auch die Linien mit ihren für heutige Ohren ungewöhnlichen Unreinheiten eine faszinierende Farbwirkung entfalten – etwa in den beiden Toccaten von Michelangelo Rossi. Guy-Baptiste Jaccottet kostet dies mit seinem agogischen Spiel bis in die kleinste Verzierung aus. Voll innerer Lebendigkeit ist auch das Zusammenspiel des Duo Æoline. Die räumliche Verteilung der Mikrophone darf als überaus gelungen bezeichnet wer-den (die Blockflöte ist immer etwas präsenter eingefangen).

Clair Obscur. Œuvres du 16e et du 17e siècle pour flûte et orgue
Dario Castello. Sonata seconda; Giovanni da Palestrina / Francesco Rognoni. Pulchra es amica mae; William Byrd. The Galliarde to the Third Pavan; Jacob van Eyck. Doen Daphne d’over schoone Maeght; Michelangelo Rossi. Toccata seconda; Johann Heinrich Schmelzer. Sonata Cu Cu; Johann Caspar Kerll. Capriccio sopra il cucu; Johann Heinrich Schmelzer. Sonata seconda; Jacob van Eyck. Wat zalmen op den Avond doen; Michelangelo Rossi. Toccata settima; Dario Castello. Sonata prima; Giovanni da Palestrina / Francesco Rognoni. Io son ferito ahi lasso; William Byrd. The Galliarde to the Fifth Pavan
Duo Æoline. Charlotte Schneider (Blockflöte), Guy-Baptiste Jaccottet (Orgel)

Claves Records 50-3065 (2022)

HörBar<< Orgel + Posaune

Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

    View all posts
hoerbar_nmz

Der HörBar-Newsletter.

Tragen Sie sich ein, um immer über die neueste Rezension informiert zu werden - entweder täglich oder mit den Rezensionen der vergangenen Woche am Sonntag.

Liste(n) auswählen:
DSGVO-Abfrage*

Wir senden keinen Spam! Erfahre mehr in unserer Datenschutzerklärung.

Teil 3 von 3 in Michael Kubes HörBar #159 – Orgel plus

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden..