6. Juni 2025 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Laila Salome Fischer

Laila Salome Fischer
Laila Salome Fischer
Affekt und Emotionen. Die Musik des Barock wird davon getragen – all die Opernarien, aber auch viele Sätze der Instrumentalmusik. Die vorherrschende Affekteinheit in den Sätzen machte es leicht, bestimmte Topoi auszuarbeiten, aber auch die eine oder andere Arie auszutauschen oder ganze Opern als Pasticcio anzulegen. Auch dieses Album setzt bei den Affekten an und widmet sich einzelnen Schreckensszenen in wechselnden emotionalen Konstellationen: von Verzweiflung, Trauer und Wut über Angst und Kampfeslust bis hin zu Liebe und Sehnsucht. Max Volbers spricht im Booklet nicht ohne Augenzwinkern von einem musikalischen «Gruselkabinett» – und tatsächlich: Hier geht es hoch her!

Die Zusammenstellung ist jedenfalls mehr als nur überzeugend. Der Wechsel zwischen Arien und Ouvertüren bzw. Concerti gelingt, da dort Ausdruck und Leidenschaft ihre unverminderte Fortsetzung finden. Und dennoch «brennt» das Album nicht bloß ab, sondern es entstehen auch wunderbare Kontraste. Überzeugen kann ferner Laila Salome Fischer mit einem kraftvollen, körperlichen Sopran, der vor allem in der mittleren Lage ein großes Spektrum an Farben aufweist, in der Höhe und Tiefe aber nicht minder beweglich ist (akustisch aber etwas imHintergrund steht). Und das Ensemble? Il Giratempo (Die Zeitenwandler) legt in kleiner Besetzung mit einer Lust und einem Feuer los, wie ich es schon lange nicht mehr gehört habe. Und dennoch wird nicht mit Muskeln, sondern mit klarem Kopf und vorausdenkender Gestaltung gespielt. Ein Album, das zum vielfachen Hören einlädt.

Scenes of Horror. Baroque Arias from the Shadow
Georg Friedrich Händel. «Scenes of Horror, Scenes of Woe» aus Jephta HWV 70; Antonio Vivaldi. Sinfonia aus: L’Olimpiade RV 725; Georg Friedrich Händel. «Scherzo infida in grembo al drudo» aus: Ariodante HWV 33; Carl Heinrich Graun. «Qual orribil destino», «Ah d’inflessibil», «Ma qual rumore», «Si corona i tuoi trofei» aus: Montezuma; Antonio Vivaldi. Flötenkonzert g-Moll RV 439 «La Notte»; Attilio Ariosti. «Questi ceppi» aus: La fede ne’ tradimenti; Georg Friedrich Händel. «Sta nell’Ircana» aus: Alcina HWV 34; «Where shall I fly» aus: Hercules HWV 60
Laila Salome Fischer (Sopran), Ensemble Il Giratempo, Max Volbers

Perfect Noise PN 2306 (2022)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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Teil 3 von 4 in Michael Kubes HörBar #157 – Stimmen

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