12. Juni 2025 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Kalevi Aho

Kalevi Aho
Kalevi Aho
Zahlen spielen in der Musik eine wichtige Rolle. Von der Antike bis in die Renaissance waren Proportionen die Grundlage allen Klingens – sowohl was die konsonierenden Intervalle angeht als auch das Verhältnis von Notation und Rhythmus oder noch allgemeiner das Verhältnis einzelner Abschnitte untereinander. Später kamen Aspekte der Symbolik hinzu, die auch heute noch eingefleischten Numerologen kreative Freude bereiten. Während der rebellierenden Avantgarde kamen noch einmal andere, komplexere Verhältnisse hinzu. Heute hingegen scheint vieles eher im Fluss zu sein. Und es wird unter Komponist:innen wieder fleißig gezählt – nämlich bei Werken, die sich nicht mehr durch spezifische Namen, sondern durch ihre Zugehörigkeit zu bestimmten Gattungen unterscheiden: beim Streichquartett, der Sinfonie oder auch dem Konzert.

So versammelt dieses Album zwei Werke von Kalevi Aho (*1949), die als «Nr. 2» eine imaginäre Beziehung zueinander haben. Freilich: Beim schwedischen Label BIS erscheint seit vielen Jahren nahezu alles, was der finnische Komponist auf Papier bringt, in beeindruckender Kontinuität. Dazu gehört auch seine systematische Berücksichtigung nahezu aller sinfonischen Instrumente (und mancher Kombinationen) im konzertanten Format. Dass die Realisierung einer Partitur dabei auch Hürden zu nehmen hat, beschreibt der Komponist selbst in seinen nüchternen Werkkommentaren. Dass Aho trotz seines reichen Œuvres keineswegs ein beliebiger Polygraph ist, zeigen seine sehr spezifische musikalische Sprache und Grammatik: harmonisch klar und melodisch auf lange kantable Linien angelegt, weiß er aus einem schier nicht enden wollenden Fundus immer wieder neue Geschichten zu erzählen. Vielleicht liegt das auch daran, dass er den jeweiligen Solopart der beiden Konzerte selbst im stillen Kämmerlein erprobt hat. Auch wenn musikalisch manches formelhaft wirkt, überzeugt vor allem das Violinkonzert Nr. 2 mit seinen Allusionen (mehrfach Alban Berg!) und der damit verbundenen geschichtlichen Tiefe.

Kalevi Aho. Violinkonzert Nr. 2 (2015); Cellokonzert Nr. 2 (2013).
Elina Vähälä (Violine), Jonathan Roozeman (Violoncello), Kymi Sinfonietta, Olari Elts

BIS Records BIS-2466 (2019, 2021)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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Teil 1 von 2 in Michael Kubes HörBar #158 – Nro. 2

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