14. Juni 2025 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Joe Hisaishi

Joe Hisaishi
Joe Hisaishi
Gerne oute ich mich als unwissend. Weder der Name von Joe Hisaishi (*1950) noch seine Musik waren mir vor diesem Album bekannt. Dabei handelt es sich offenbar um einen der bedeutendsten japanischen Filmkomponisten, der noch dazu als Dirigent um die Welt reist – und es dabei wie John Williams hält, der gerne in Welt-Metropolen oder größeren Städten ein Konzert initiiert und dieses vermarktet. Wie dieser hat aber Joe Hisaishi Partituren für den Konzertgebrauch geschrieben, darunter (inzwischen) auch drei Sinfonien. Der Spagat zwischen Cinema und Bühne gelingt offenbar so gut, dass nun bei der Deutschen Grammophon ein zweites Album erschienen ist: mit der Sinfonie Nr. 2 (2021) und einem konzertanten Werk, der Viola Saga (2023). Für das traditionelle Gelb-Label offenbar eine Goldgrube – sonst würde die Musik nicht auf allen aktuellen Medien, von LP über CD bis hin zum Video-Event, vertrieben werden.

Die Musik hat freilich nur wenig Neues zu sagen. Die Partitur der Sinfonie Nr. 2 etwa pendelt im Nirgendwo zwischen Neoklassizismus, Neo-Romantik, erhabenen Gesten und Minimalismus, ohne dass auch nur ein Aspekt konsequent durchgeführt würde. Insofern tut die Musik nicht weh, sie fließt in einem multikulturellen Mix aus Allusionen von allerlei Kontinenten und Komponisten. Einmal schimmern Wagner und Strauss durch (Ende des ersten Satzes), dann klingt Mahler als Zitat an (3. Satz), bald blickt Strawinsky um die Ecke (2. Satz). Für Kenner des sinfonischen Repertoires ist die Sinfonie fast ein «musikalischer Spaß» (à la Mozart), wenn einem nicht immer wieder das Schmunzeln gefrieren würde. Denn was von alledem ist nun genuin «Hisaishi»? Versteht er es, verschiedene Ideen synthetisch zu fassen – oder ist alles eben doch nur epigonal? Die Viola Saga ehrt jedenfalls das mir sehr liebe Instrument. – Akustisch brillant eingefangen (Aufnahmen stammen aus dem prestigeträchtigen Wiener Musikverein und Konzerthaus Wien), bleibt das Booklet mit dem Jahr der jeweiligen Komposition wie auch das der Aufnahme einige der nach wie vor wichtigen Metadaten schuldig. Man kann beides über die Homepage des Komponisten ermitteln. Warum aber dieser Umweg? Ist es so wenig «sexy«, ein paar elementare Daten zu nennen?

Joe Hisaishi in Vienna
Joe Hisaishi. Symphonie Nr. 2 (2021), Viola Saga (2023)
Antoine Tamestit (Viola), Wiener Symphoniker, Joe Hisaishi

Deutsche Grammophon 650 0149 (2023)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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