30. Mai 2025 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Ferdinand Ries

Ferdinand Ries
Ferdinand Ries
Ich kann mich noch gut an die 1980er Jahre erinnern, als Werke von Ferdinand Ries (1784–1838) nur gelegentlich auf Schallplatte zu finden waren. Damals stand noch alles im Zeichen und im Schatten Beethovens. Dass Ries aber ebenfalls ein hervorragender Komponist mit einem breiten und reichen Œuvre war, ist erst in den 2000er Jahren ins Bewusstsein gedrungen – und dies vor allem dank der Einspielungen bei den Labels Naxos und cpo. Heute gehört Ries nicht mehr zu den großen Unbekannten, sondern seine Kompositionen werden sehr ernst genommen. So auch von der Tapiola Sinfonietta, die hier die zweite Folge einer auf drei CDs angelegten Gesamteinspielung der Sinfonien vorlegt.

Und was für starke Werke sind das! Sie atmen den Geist Beethovens, haben einen stilistischen Bezug zur Eroica und sind doch ganz eigenständig und noch ein Stück mehr in das 19. Jahrhundert gewendet. Bereits die Eröffnungen der Kopfsätze fesseln und erfüllen im weiteren Verlauf ihre Versprechen. Als aufmerksamer Schüler hat Ries die Harmonik seines Meisters genau studiert und geht dabei ganz eigene Wege. Überraschend sind auch die ausgedehnten Solopartien für das Violoncello im langsamen Satz und Scherzo der Sinfonie Nr. 4. Entstanden in London und gedruckt in Leipzig muss man bei der Datierung und Zählung dennoch ein wenig aufpassen. Die Nr. 5 entstand bereits 1813, die Nr. 4 erst 1818 (gezählt wurde in der Folge der Druckausgabe). In der etwas kleineren Streicherbesetzung (8-8-6-4-3) trumpft die Tapiola Sinfonietta unter der Leitung von Janne Nisonen auf und erweist sich als überzeugte Anwälte der Partituren. Auch die direkte, natürlich eingefangene Akustik des Konzertsaals trägt zu dem herausragenden Eindruck dieser Produktion bei. Ein Album, das gehört werden muss.

Ferdinand Ries. Sinfonie Nr. 4 F-Dur op. 110; Sinfonie d-Moll op. 112
Tapiola Sinfonietta, Janne Nisonen

Ondine ODE 1454-2 (2024)

HörBar<< Anton Zimmermann

Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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Teil 2 von 2 in Michael Kubes HörBar #156 – Sinfonisches

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