Bach / Lorenzo GhielmiÄußerliche Brillanz ist nicht die Sache von Lorenzo Ghielmi. Am Cembalo und an der Orgel zu Hause, entwickelt er – ganz gegen den Trend der Zeit – ausgewogene und zugleich durchdachte Interpretationen, denen ein wenig von dem anhaftet, was man den Kompositionen Johann Sebastian Bachs nachsagt: Zeitlosigkeit. Spürbar wird das in seinem souveränen, ja abgeklärten Blick auf große und kleine Formen, in seiner präzisen und doch entspannten Darstellung großer Linien und kleinteiliger Rhythmen. So auch bei dieser Einspielung von Bachs sechs Partiten BWV 825–830 – einer enzyklopädischen Summa der Gattung, die wohl auch deshalb ein wenig im Schatten der früheren Englischen und Französischen Suiten steht.
In Leipzig entstanden und zwischen 1726 und 1730 Jahr für Jahr im Druck erschienen, bilden die Partiten als „Opus 1“ eine offenbar von Anfang an mit vorausschauender äußerer und innerer Systematik konzipierte Werkfolge: Die Eröffnungssätze tragen jeweils unterschiedliche Bezeichnungen (Praeludium, Sinfonia, Fantasia, Ouverture, Praeambulum, Toccata), aber auch die einzelnen stilisierten Tanzsätze sind immer wieder neu entwickelt, so dass sich bei genauem Hören (Lesen oder Spielen) keine stereotypen Wiederholungen einstellen. Gerade diese innere kompositorische Variabilität kann auch heute noch für sich sprechen – und liegt bei Lorenzo Ghielmi in sicheren Händen.
Johann Sebastian Bach. Partiten BWV 825–830
Lorenzo Ghielmi (Cembalo) Passacaille PAS 1105 (2019)
Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.