7. April 2025 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Weber / Roeland Hendrikx

Weber / Roeland Hendrikx
Weber / Roeland Hendrikx
Voller Begeisterung notierte Wolfgang Amadeus Mozart am 3. Dezember 1778 in einem Brief an seinen Vater aus Mannheim mit Blick auf die Salzburger Hofkapelle: «Ach wenn wir nur auch clarinetti hätten! – sie glauben nicht was eine sinfonie mit flauten, oboen und clarinetten für einen herrlichen Effect macht!» Tatsächlich war die technisch erst wenige Jahrzehnte zuvor aus dem Chalumeau hervorgegangene Klarinette zu jener Zeit noch ein vollkommen neues Instrument – solistisch, in der Kammermusik und im Orchester. Mit ihrer klanglichen Vielfalt in gleich drei charakteristischen Registern stellte sie eine willkommene Bereicherung dar. Christian Friedrich Daniel Schubart beschreibt in seinen erst 1806 in Wien veröffentlichten Ideen zu einer Ästhetik der Tonkunst die Klarinette folgendermaßen: «Der Charakter derselben ist: in Liebe zerflossenes Gefühl, – so ganz der Ton des empfindsamen Herzens […]. Der Ton ist so süß, so hinschmachtend; und wer die Mitteltinten [Zwischenfarben] darauf auszudrücken vermag, darf seines Sieges über die Herzen gewiß seyn.»

Etwas mehr als drei Jahrzehnte später, am 14. März 1811, traf Carl Maria von Weber von Augsburg kommend in München ein. Hier fand er bald freundschaftlichen Kontakt zu Heinrich Baermann (1784–1847), erster Klarinettist der Münchner Hofkapelle. Sowohl das Instrument als auch Baermanns spieltechnische Fähigkeiten müssen Weber unmittelbar inspiriert haben: Bereits eine Woche nach der ersten Begegnung lag mit dem Concertino ein Werk vor, dessen Uraufführung alle beteiligten Musiker wie den gesamten Hof elektrisierte. Weber erhielt den gut dotierten Auftrag zu zwei weiteren Konzerten, gemeinsam mit Baermann ging er 1811/12 auf eine mehrmonatige europaweite Tournee. Bis heute haben diese Werke nichts von ihrem unmittelbaren Reiz und ihrer romantischen Modernität verloren, wobei sich damit (wie immer) auch die Frage nach der Interpretation verbindet. Und da scheint mit Roeland Hendrikx auf seinem französischen Selmer-Instrument für mich leider nicht den rechten Ton zu treffen. Fast süßlich lässt er in den langsamen Sätzen die Linien schwingen, in den Allegros aber macht er gestisch mit dem Titel des Albums Ernst: Statt sich ganz auf die eigene Idiomatik zu konzentrieren, kommt ein etwas überdehntes kantables Element ins Spiel. Da passt dann auch die Aufnahme der bekannten Agathe-Arie aus dem Freischütz; warum aber das Concertino op. 26 bei dieser Produktion außen vor blieb, erschießt sich nicht ganz. Pluspunkt an dieser Einspielung bleibt die Erkenntnis, dass Webers Werke sich als so bemerkeswert wandlungsfähig erweisen.

The Clarinet as Prima Donna
Carl Maria von Weber. Konzert für Klarinette und Orchester Nr. 1 f-Moll op. 73; «Leise, leise, fromme Weise», Arie der Agathe aus: Der Freischütz (Arr. für Klarinette von Andreas Tarkmann); Konzert für Klarinette und Orchester Nr. 2 Es-Dur op. 74; Variationen über ein Thema aus der Oper «Silvana» op. 33 (Arr. von Rainer Schottstädt)
Roeland Hendrikx (Klarinette), Staatsorchester Rheinische Philharmonie, Michel Tilkin

Evil Penguin EPRC 0053 (2022)

Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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  • Weber / Roeland Hendrikx
Teil 1 von 1 in Michael Kubes HörBar #151 – Klarinette

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