Etwas mehr als drei Jahrzehnte später, am 14. März 1811, traf Carl Maria von Weber von Augsburg kommend in München ein. Hier fand er bald freundschaftlichen Kontakt zu Heinrich Baermann (1784–1847), erster Klarinettist der Münchner Hofkapelle. Sowohl das Instrument als auch Baermanns spieltechnische Fähigkeiten müssen Weber unmittelbar inspiriert haben: Bereits eine Woche nach der ersten Begegnung lag mit dem Concertino ein Werk vor, dessen Uraufführung alle beteiligten Musiker wie den gesamten Hof elektrisierte. Weber erhielt den gut dotierten Auftrag zu zwei weiteren Konzerten, gemeinsam mit Baermann ging er 1811/12 auf eine mehrmonatige europaweite Tournee. Bis heute haben diese Werke nichts von ihrem unmittelbaren Reiz und ihrer romantischen Modernität verloren, wobei sich damit (wie immer) auch die Frage nach der Interpretation verbindet. Und da scheint mit Roeland Hendrikx auf seinem französischen Selmer-Instrument für mich leider nicht den rechten Ton zu treffen. Fast süßlich lässt er in den langsamen Sätzen die Linien schwingen, in den Allegros aber macht er gestisch mit dem Titel des Albums Ernst: Statt sich ganz auf die eigene Idiomatik zu konzentrieren, kommt ein etwas überdehntes kantables Element ins Spiel. Da passt dann auch die Aufnahme der bekannten Agathe-Arie aus dem Freischütz; warum aber das Concertino op. 26 bei dieser Produktion außen vor blieb, erschießt sich nicht ganz. Pluspunkt an dieser Einspielung bleibt die Erkenntnis, dass Webers Werke sich als so bemerkeswert wandlungsfähig erweisen.
The Clarinet as Prima Donna
Carl Maria von Weber. Konzert für Klarinette und Orchester Nr. 1 f-Moll op. 73; «Leise, leise, fromme Weise», Arie der Agathe aus: Der Freischütz (Arr. für Klarinette von Andreas Tarkmann); Konzert für Klarinette und Orchester Nr. 2 Es-Dur op. 74; Variationen über ein Thema aus der Oper «Silvana» op. 33 (Arr. von Rainer Schottstädt)
Roeland Hendrikx (Klarinette), Staatsorchester Rheinische Philharmonie, Michel Tilkin
Evil Penguin EPRC 0053 (2022)
- Weber / Roeland Hendrikx