12. April 2025 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Spohr / Christoffer Sundqvist

Spohr / Christoffer Sundqvist
Spohr / Christoffer Sundqvist
Unter Klarinettisten begegnet man den vier Konzerten von Louis Spohr (1784–1859) mit allergrößtem Respekt. Im Gegensatz zu den Werken von Mozart und Weber tauchen sie so gut wie nie im Konzertsaal auf – und obwohl inzwischen einige Einspielungen vorliegen, so wurden die Kompositionen erst durch die Aufnahm mit dem legendären Karl Leister aus dem Jahre 1984 aus ihrem tiefen und festen Dornröschenschlaf geweckt – eine Produktion übrigens, die noch immer Maßstäbe setzt (damals bei Orfeo erschienen). Die Konzerte verlangen alles: eine exzellente Technik, einen in allen Registern ausgeglichenen Ton (vor allem in der kritischen Mittellage), einen wirklich langen Atem und eine umfassende interpretatorische Gestaltungsfähigkeit. Denn während Weber es einem mit seinen über längere Strecken gesetzten Ausdruckscharakteren und Figuren vergleichsweise einfach macht, stellt Spohr in hoher Dichte immer wieder neue Anforderungen.

Sich daran zu messen, ist und bleibt eine Aufgabe – für den Solisten, wie auch für das Orchester, das nicht bloß begleitet, sondern mit der für Louis Spohr so typischen Weise einen motivisch durchdrungenen wohligen Klangteppich ausbreitet. Und so sind die Partituren (auch und gerade die der weithin unbekannten Werke «am Rande»: den Variationen und dem Potpourri) bei der NDR Radiophilharmonie in besten Händen – ein Orchester, das mit Spohr und seinen heute mit noch selten gespielten wie gehörten Zeitgenossen seit Jahren viel Erfahrung gesammelt hat. Simon Gaudenz trifft dabei den Ton bestens, der es dann auch Christoffer Sundqvist ermöglicht, den Solopart im jeweils gegebenen Rahmen frei zu gestalten. Dass er akustisch sehr präsent ist, lenkt allerdings die Aufmerksamkeit ein wenig von den Werken ab und führt unmittelbar zum Atem und zur Gestaltung des Tons. Mir persönlich erscheint die Klarinette dabei etwas zu offen. Im der tiefen Lage fehlt das geheimnisvolle Raunen, das ist Clarin-Register ist manchmals zu spitz, die perlenden Kaskaden nicht recht ausgehört. Dass die Aufnahme von 2017/19 erst 2022 erschein, erscheint heute (2025, also nochmals später) keineswegs problematisch. Sie ergänzt vielmehr die zwischen 2006 und 2012 in Hannover eingespielten Sinfonien auf vorzügliche Weise.

Louis Spohr. The Complete Works for Clarinet and Orchestra
Konzert für Klarinette und Orchester Nr. 1 c-Moll op. 26; Konzert für Klarinette und Orchester Nr. 2 Es-Dur op. 57; Konzert für Klarinette und Orchester Nr. 3 f-Moll WoO 19; Konzert für Klarinette und Orchester Nr. 4 e-Moll WoO 20; Variationen über ein Thema aus der Oper «Alruna» für Klarinette und Orchester WoO 15; Potpourri über Themen aus Peter von Winters Oper «Das unterbrochene Opferfest» für Klarinette und Orchester op. 80; Fantasie und Variationen über ein Thema von Franz Danzi für Klarinette und Streichquartett op. 81
Christoffer Sundqvist (Klarinette), NDR Radiophilharmonie, Simon Gaudenz

cpo 555 151-2 (2017/19)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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Teil 2 von 4 in Michael Kubes HörBar #151 – Klarinette

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