Was Gunar Letzbor hier mit Solisten und dem Ensembles Ars Antiqua Austria eingespielt hat, wirft ein interessantes Licht auf die katholische Kirchenmusik zum Karfreitag in der Mitte des 18. Jahrhunderts. Auch wenn die Quellen keine genauere Datierung zulassen, so verbietet sich auf jeden Fall der im Essay vorgenommene Vergleich mit den viel früher entstandenen Bach’schen Passionen. Mit Bibelworten (Rezitativen) und hochdramatischer madrigalischer Dichtung markieren sie eine ganz andere Form der Passion; viel eher dürfte wohl Karl Wilhelm Ramlers Dichtung vom Tod Jesu in der Vertonung von Carl Heinrich Graun (Berlin, 1755) heranzuziehen sein. Auch bei Aumann sind es poetische Verse, die durch die Personifizierung von Glaube, Hoffnung und Liebe sowie des Sünders die Gemeinde im Sinne der Gegenreformation emotional zu erreichen suchen. Solistisch (und damit aufführungspraktisch adäquat) besetzt, gelingt dies für heutige Ohren allerdings nur bedingt – auch weil die hinzugezogenen Stimmen von den St. Florianer Sängerknaben die ihnen zugedachte Rolle nicht ganz ausfüllen können (ein Problem, an dem schon vor Jahrzehnten die Maßstäbe setzende Bach-Kantaten-Einspielung unter Nikolaus Harnoncourt litt und über weite Strecken bis heute leidet). Und doch: Dieses Sepolcro aus St. Florian mutet wie einer der wenigen Höhepunkte einer kirchenmusikalischen zunehmend problematischen Zeit an.
Franz Joseph Aumann. Oratorium de Passione Domini nostri Jesu Christi
Alois Mühlbacher (Altus), Markus Miesenberger (Ternor), Alexandre Baldo (Bass), Fabio Alves Pereira (Sopran), Kendrick Nsambang (Sopran), Ars Antiqua Austria, Gunar Letzbor
Accent ACC 24405 (2023)
- Demantius / Ensemble Polyharmonique
- Aumann / Ars Antiqua Austria