
Es ist kompliziert. So richtig einleuchtend kann ich den Albumtitel nicht dem Aufbau zuordnen. Es handelt sich um ein nahezu klassisches Live-Konzert-Erlebnis improvisierter Musik – hier mit den üblichen Ingredienzien der Sprachen des heutigen Jazz. Aufgenommen wurde es kurz nach Aufhebung der Corona-Einschränkungen in den Niederlanden. «All restrictions were lifted and so was the music!»
Okay, beim titelgebenden Stück geht es durch eine Klanglandschaft in Richtung einer Komposition, deren Tonfall außereuropäisch sein könnte. Bevor auch dieser Halt in improvisatorischer Weise zerlegt wird zu einer Gruppenimprovisation. Das ist sehr aufmerksam miteinander gedacht und funktioniert. Am Ende landet man dann auf oder in einer «Cocktail-Party». Und damit im Spoken-Word-Bereich.
Im Zentrum stehen mehrere Duo-Formationen. Schon das Erste zwischen Annelie Koning und Albert van Veenendal am präparierten Klavier zeigt alles auf, was zum Wohle improvisierter Musik gereicht, wie auch zu dessen Wehe. Das Unerwartete ereignet sich ebenso, wie dann hin und wieder jene mühevolle Ebene des musikalischen Irrens, das, wenn man Glück hat, auch zu akustischen Glücksseligkeiten führen kann – oder eben ein bloßes Irren bleibt. So ist das im Hochrisikogebiet der Improvisation.
Bei den ankomponierten Titeln wie «Up There, Down here» oder der von Steve Reich abgeflunkerten «Violin Phase» funktioniert dies auf fast natürliche Weise einfacher und besser. Man hat da eben diese Anhaltspunkte und damit immer auch eine Art Vorverständigung. Und wie bei der «Violin Phase» eine Endhaltestelle.
Wie auch immer: Freunde der improvisierten Musik, nehmt das mit.
Bo van de Graaf – One Way Ticket to Tibet [2024]
- Bo van de Graaf – saxophones
- George Dumitriu – violin
- Annelie Koning – voice
- Albert van Veenendaal – (prepared) piano, chimes
- Dion Nijland – bass
- Makki van Engelen – drums
ToonDist (VÖ 7.6.2024)