25. Februar 2025 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

CPE Bach / Orazio Sciortino

CPE Bach / Orazio Sciortino
CPE Bach / Orazio Sciortino
Es ist schon erstaunlich, wie unterschiedlich die Bach-Söhne ihren Weg gingen – biographisch wie kompositorisch. Als der wohl bedeutendste Wegbereiter der Klassik hat sich dabei Carl Philipp Emanuel Bach (1714–1788) erwiesen: sowohl durch seine Ästhetik angeht (nämlich die über die wahre Art, das Clavier zu spielen) als auch durch seine Werke, die vielfach etwas vollkommen Neues aufzeigenden. Schließlich aber auch durch die Überlieferung von Werken und Dokumenten des Vaters, die über Johann Nikolaus Forkel das Bach-Bild des 19. Jahrhunderts entscheidend mitprägten. Obwohl die herausragende Bedeutung von CPE Bach heute außer Frage steht, sogar eine vielbändige Gesamtausgabe ist in den USA entstanden, sieht es bei den Einspielungen anders aus: Die wirkliche Breite seines Schaffens muss man sich erst durch Recherche und Hörarbeit erschließen …

Dass es dabei nicht immer ein historisches Instrumentarium sein muss, beweist das Album mit Orazio Sciortino als Solist auf verblüffende Weise. Das Orchestra di Padova e del Veneto agiert ohne zu überziehen schlang und agil, präzise und als wirkliches Ensemble. Sciortino versteht es, seinem modernen Flügel eine Leichtigkeit und Eleganz zu entlocken, die man nicht immer hört. Das liegt vor allem an seiner lockeren rechten Hand, die souverän geführt verziert und sich im Diskurs nie aufdrängt. Dass der Flügel akustisch etwas zu sehr in die Mitte und den Vordergrund gerückt ist – fast geschenkt. Denn es kommt bei CPE Bach vor allem auf die Charaktere an. Und hier kann das Album wirklich überzeugen (auch wenn ich inzwischen eher zu den aufführungspraktischen Puristen gehöre). Denn gerade beim Konzert Es-Dur (Wq. 14 H. 417) ist die Konkurrenz teilweise bedeutend, doch auch immer mit Einwänden behaftet. Dass Orazio Sciortino die Werke nicht auf die leichte Schulter nimmt, zeigen die beiden Solo-Stücke als Zugaben. Fast könnte man meinen, er habe sich bei den alten Instrumenten etwas abgeschaut und realisiert nun seine eigene Sicht auf CPE in einer ungewöhnlichen Melange.

Carl Philipp Emanuel Bach. Klavierkonzert D-Dur Wq. 43/2 H. 472; Sonatine für Klavier und Orchester D-Dur Wq. 96 H. 449; Klavierkonzert Es-Dur Wq. 14 H. 417; Fantasia Nr. 2 C-Dur Wq. 61/6; Rondeau Wq. 117/19 «La Gleim»
Orazio Sciortino (Klavier), Orchestra di Padova e del Veneto

hänssler classic HC 23008 (2019)

Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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  • CPE Bach / Orazio Sciortino
Teil 1 von 1 in Michael Kubes HörBar #147 (CPE Bach)

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