4. März 2025 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Ewald Sträßer / Gudrun Höbold

Ewald Sträßer / Gudrun Höbold
Ewald Sträßer / Gudrun Höbold
Man darf sich von den internationalen Metadaten und dem Cover dieses Albums nicht irritieren lassen. Denn der Komponist Ewald Sträßer (1867–1933) unterschrieb selbst mit Umlaut und Scharf-S, während die heute gängigen Angleichungen bereits 1918 auf dem Titelblatt seiner Violinsonate D-Dur op. 32 vorgenommen wurden – dort allerdings, so scheint es, eher typographisch motiviert. Er ist einer der niederrheinischen Komponisten in der Nachfolge von Johannes Brahms, dabei aber in Ausdruck und Grammatik keinesfalls konservativ. Nach einem erfolgreichen dreitägigen Musikfest in Köln, das ausschließlich seinen Werken gewidmet war (1917, inmitten des Ersten Weltkriegs), gab Sträßer seine Lehrtätigkeit am Kölner Konservatorium auf. Der als Chance begriffene Schritt, sich ausschließlich dem Komponieren zu widmen, führte dann mit all den Umbrüchen der Zeit rasch in wirtschaftliche Not. 1921 übernahm Sträßer die Kompositionsklasse an der Stuttgarter Musikhochschule.

Ewald Sträßer, auf dessen Kammermusik mit Holzbläsern das Label MDG bereits mit einem ersten Album aufmerksam gemacht hat, sollte jedenfalls nicht zu den musikalischen Randerscheinungen seiner Zeit gezählt werden. So hat die 1914 vollendete dreisätzige Sonate mit ihren weiten Bögen, konsistenten inneren Entwicklungen und einer keineswegs beliebigen Harmonik wirklich etwas zu sagen. Und so wird das anspruchsvolle Werk auch von Gudrun Höbold (Violine) und Eri Uchino (Klavier) interpretiert: als eine große, großartige Komposition, die für sich spricht und unterschiedliche Sichtweisen zulässt. In der Bach-Reger-Nachfolge steht hingegen die Suite für Violine allein aus dem Jahre 1926, bei den Drei Reigen op. 25 (1912) handelt es sich um Charakterstücke. – Eine substanzielle Entdeckung.

Ewald Straesser. Sonate für Violine und Klavier D-Dur op. 32; Arioso op. 13a; Suite für Violine allein e-Moll; Drei Reigen für Violine und Klavier op. 25
Gudrun Höbold (Violine), Eri Uchino (Klavier)

MDG 903 2228-6 (2021)

HörBar<< Bartók, Enescu, Achron / Tassilo Probst

Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

    View all posts
hoerbar_nmz

Der HörBar-Newsletter.

Tragen Sie sich ein, um immer über die neueste Rezension informiert zu werden.

DSGVO-Abfrage*

Wir senden keinen Spam! Erfahre mehr in unserer Datenschutzerklärung.

Teil 4 von 4 in Michael Kubes HörBar #144 – Violinsonaten um 1900