28. Oktober 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Fauré / «intégrale»

Fauré / «intégrale»
Fauré / «intégrale»
Wo viel aufgenommen wird, entsteht ein Archiv. Und aus diesen mehr oder weniger systematisch «gehorteten» Schätzen lassen sich dann zu einem Geburts- oder Gedenkjahr feine Boxen generieren. Früher waren es die Major-Labels, die damit ihre Kundschaft (vor allem die nachwachsenden Generationen) noch einmal verführerisch günstig locken konnten. Später kamen auch andere Label auf diese Idee (merkwürdigerweise solche, die schon nicht mehr «independent» sind); jetzt ist es Alpha, das zu Gabriel Faurés 100. Todestag mit Kammermusik (und etwas mehr) einen Akzent gesetzt hat. Doch der verlockende Titel «Intégrale de la musique de chambre» trügt. Man hätte «avec piano» hinzufügen müssen – denn das späte Streichquartett op. 121 wurde schlichtweg übersehen.

Im übrigen handelt es sich um eine Wiederveröffentlichung der fünf Alben, die zwischen 2010 und 2012 mit Éric le Sage am Klavier und einem kleinen Pool von Musikern aufgenommen wurden, die sich dem Projekt angeschlossen hatten. Das gab den Produktionen schon damals eine gewisse Geschlossenheit und prägt auch heute noch die Interpretationen. Dass sich inzwischen ganz neue Möglichkeiten ergeben, sofern man zu einem «historischen» Instrumentarium wechselt, war während der letzten Woche in der Hörbar zu entdecken. Insofern nehme ich selbst die (Wieder-)Begegnung mit diesen fast 15 Jahre alten Einspielungen schon mit einer gewissen Distanz wahr. Und doch: Die Aufnahmen zeugen von Sorgfalt und Gestaltungswillen, sie sind souverän und akustisch wirklich als Kammermusik eingefangen. Ein guter Einstieg in (fast) alles. Aber vielleicht sind wechselnde Blickwinkel mit unterschiedlichen Interpreten auf Dauer doch interessanter.

Gabriel Fauré. Intégrale de la musique de chambre
Romance op. 69; Sonate für Violoncello und Klavier Nr. 1 d-Moll op. 109; Élégie op. 24; Sonate für Violoncello und Klavier Nr. 2 g-Moll op. 117; Sérénade op. 98; Papillon op. 77; Berceuse op. 16; Trio für Klavier, Klarinette und Violoncello d-Moll op. 120; Klavierquartett Nr. 1 c-Moll op. 15; Klavierquartett Nr. 2 g-Moll op. 45; Klavierquintett Nr. 1 op. 89; Klavierquintett Nr. 2 op. 115; Dolly für Klavier zu vier Händen op. 56; Masques et bergamasques Klavier zu vier Händen op. 112; Souvenirs de Bayreuth; Fantasie für Flöte und Klavier op. 79; Morceau de lecture für Flöte und Klavier; Sicilienne op. 78; Klaviertrio d-Moll op. 120; Trois mélodies op. 7/1; Sicilienne op. 78 (Arr. für Violoncello und Klavier); Sonate für Violine und Klavier Nr. 1 A-Dur op. 13; Sonate für Violine und Klavier Nr. 2 e-Moll op. 108; Berceuse op. 16; Morceau de lecture für Violine und Klavier, Romance op. 28; Andante op. 75; Nocturnes Nr. 1–13 für Klavier
Éric Le Sage (Klavier), Daishin Kashimoto (Violine), François Salque (Violoncello), Lise Berthaud (Alt), Alexandre Tharaud (Klavier), Paul Meyer (Klarinette), Emmanuel Pahud (Flöte), Quatuor Ébène

Alpha ALP 1055 (2010, 2011, 2012)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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Teil 5 von 5 in Michael Kubes HörBar #135 – Fauré 100

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