12. Oktober 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Copland conducts Copland

Copland conducts Copland
Copland conducts Copland
Kein rundes Geburts- oder Gedenkjahr, sondern einfach ein Blick in die Tiefen des Archivs: Dieser Gedanke käme mir bei dieser Produktion, wenn nicht doch der 125. Geburtstag von Aaron Copland (1900–1990) vor der Tür stünde. Aber auch so ist diese Box ein Pfund, ein Meilenstein. Und bevor in nicht allzu ferner Zukunft alle Welt nur noch in einzelnen Tracks streamt, ist hier zusammengekommen, was zusammengehört. Denn Copland war nicht nur ein höchst angesehener Komponist (er gilt als «Dean of the American Composers»), sondern auch ein herausragender Interpret seiner eigenen Werke (am Klavier, vor allem aber als Dirigent). Dazu kommt, dass die Techniker des einstigen Traditionslabels Columbia ihrerseits Meisterwerke abgeliefert haben: In puncto Ausgewogenheit, Klarheit und Natürlichkeit setzen die rein analog aufgenommenen Einspielungen bis heute Maßstäbe.

Natürlich handelt es sich um keine Gesamteinspielung des Œuvres. Der Schwer-punkt liegt im symphonischen Bereich (für Ballett oder Film bestimmte Musik eingeschlossen), aber auch als Liedbegleiter am Klavier und als Solist seines eigenen Klavierkonzerts (dirigiert von Leonard Bernstein) ist Copland zu hören; von der dreiaktigen Oper The Tender Land wurde 1965 nur ein längerer Querschnitt aufgenommen. Es gibt also weitaus mehr zu entdecken als das halbe Dutzend Werke, die einem immer wieder begegnen: Fanfare for the Common Man, Appalachian Spring, Sinfonie Nr. 3, Vitebsk (für Klaviertrio), Concerto for Clarinet, Strings & Harp und Billy the Kid. Zwei Beobachtungen sind zu notieren: Zum einen ist Coplands Tonsprache (aber das war eigentlich schon vorher klar) einheitlich und stilbildend, zum andern haben viele seiner Motive, Themen und Klangfarben bis heute namhafte Nachahmer in Hollywood gefunden. Ein Pluspunkt der Box sind einige wenige «Doubletten», also Aufnahmen eines Werkes aus verschiedenen Jahren. Nicht wirklich gelungen und vor allem unübersichtlich ist dagegen die Präsentation des Inhalts. Im Booklet stehen zwar alle Angaben, die Kartonhüllen der CDs (und das jeweilige Plattenlabel) werden jedoch «originalgetreu» wiedergegeben – mit teilweise merkwürdigen Ergebnissen: CD 2 steckt in der Hülle von 1951 und listet nur das erste Set der Old American Songs sowie die Five Sea Chanties von Celius Dougherty (1902–1986), während in Wirklichkeit beide Sets sowie die Twelve Poems of Emily Dickinson zu hören sind. Im Booklet wiederum wird für letztere das in der Box nicht verwendete Cover abgedruckt… Hm.

Copland conducts Copland – The Complete Columbia Album Collection
(1) Concerto for Clarinet, Strings & Harp with Benny Goodman (1950); Piano Quartet; Piano Variations (1930); Nocturne (1928); Vitebsk. Study on a Jewish Theme for Piano Trio; Ukulele Serenade
(2) Old American Songs with William Warfield I+II (1951/53); Twelve Poems of Emily Dickinson
(3) Appalachian Spring (Ballet for Martha); The Tender Land. Suite
(4) Concerto for Clarinet, Strings & Harp with Benny Goodman (1963); Old American Songs II (1962)
(5) Concerto for Piano and Orchestra; Music for the Theatre
(6) The Tender Land (Opera in Three Acts, Querschnitt)
(7) Music for a Great City; Statements for Orchestra
(8) Twelve Poems of Emily Dickinson; Las Agachadas; In the Beginning; Lark
(9) Piano Quartet; Sextet for Clarinet, Piano and String Quartet; Vitebsk. Study on a Jewish Theme for Piano Trio
(10) Short Symphony «Symphony No. 2»; Dance Symphony
(11) An Outdoor Overture; Our Town (2 Stücke für Streichorchester); Quiet City
(12) Billy the Kid. Suite; Four Dance Episodes from Rodeo
(13) Fanfare for the Common Man; Lincoln Portrait; Appalachian Spring. Suite
(14) Symphonic Ode; Preamble for a Solemn Occasion; Orchestral Variations
(15) Appalachian Spring (Ballet for Martha); Aaron Copland Rehearses Appalachian Spring
(16) Sonata for Violin and Piano (1942/43); Duo for Flute and Piano; Nonet for Strings
(17) Danzón Cubano; Three Latin American Sketches; El Salón México; Dance Panels
(18) The Red Pony. Suite; John Henry; Music for Movies; Letter from Home; Down a Country Lane
(19) Symphony No. 3
(20) Inscape; Connotations for Orchestra

Benny Goodman (Klarinette), Jacques Gordon (Violine), Ivor Karman (Violine), David Freed (Violoncello), William Warfield (Bariton), Martha Lipton (Mezzosopran), Adele Addison (Sopran), Mildred Miller (Mezzosopran), Robert Hall (Bariton), Harold Wright (Klarinette), Henry Fonda (Erzähler), Isaac Stern (Violine), Elaine Shaffer (Flöte), New England Conservatory Chorus, The New York Quartet, Juilliard String Quartet, Boston Symphony Orchestra, Columbia Symphony Strings, Columbia Chamber Orchestra, Columbia Symphony Orchestra, New York Philharmonic, London Symphony Orchestra, New Philharmonia Orchestra, Leonard Bernstein, Aaron Copland
Sony 19439977462 (1935–1976)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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