18. Oktober 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Boccherini Edition

Boccherini Edition
Boccherini Edition
Ein Update in Sachen Boccherini. Denn wer in sein Regal schaut, findet vielleicht schon eine Box gleichen Namens – ebenfalls von Brilliant Classics, allerdings aus dem Jahre 2012 und mit nur 37 CDs. Hier sind es nun 52 CDs, so dass man von einer veritablen Version 2.0 sprechen kann. Wer zuletzt die Einzelveröffentlichungen des Labels verfolgt hat, wird von dieser Box jedenfalls nicht überrascht sein; sie stand gewissermaßen schon im Raume. Der größte Teil wurde nach zwölf Jahren freilich wieder aufgelegt, vieles ist neu hinzugekommen, nur weniges wurde «erneuert», also neu eingespielt. Davon abgesehen mag es ein kaum zu überbietender Vorteil eines enzyklopädisch agierenden Labels wie Brilliant Classics sein, solch ein Projekt auch langfristig nicht aus den Augen zu verlieren und auf aktuelle Musiker:innen einzugehen oder gar Hypes folgen zu müssen. Wer sonst engagiert sich in diesem Umfang für Boccherini?

Dazu kommt die interpretatorische Kompetenz. Es ist geradezu ein Vergnügen, sich durch die klavierbegleiteten Violinsonaten zu hören (Igor Ruhadze und Alexandra Nepomnyashchaya), die intimen Violinduette dagegen wurden in einem unangemessen großen und halligen Kirchenraum aufgenommen. Neu hinzugekommen sind ferner die Streichquintett-Serien op. 29, 30 und 31 sowie sechs der Arie Accademiche – hinreißenden Werken mit einem konzertanten Cellopart, dessen technische Anforderungen einen vor dem Lautsprecher schwitzen lassen. Ersetzt wurde die frühere Aufnahme des Stabat mater, das hier nun mit dem jugendlichen Sopran von Francesca Boncompagni in einer Interpretation zu hören ist, die nichts ästhetisiert und daher der Komposition näher kommt als manch andere, vielleicht noch einen Tick stringentere, aber durch Filter unnötig aufpolierte Deutung. – Wer jetzt neugierig geworden ist, kann also bei dieser wohlfeilen Box zugreifen. Wer schon «Boccherini» in der Sammlung hat, sollte schauen, was bereits da ist. Eines ist aber sicher: Selbst in dieser umfassenden Edition fehlen viele Sinfonien, Streichquintette und vor allem Streichquartette (von denen sind gerade einmal sechs eingespielt worden). Da ist also noch viel Luft nach oben. Bleibt zu hoffen, dass es wirklich weitergeht und dieses «Boxen-Update» in einigen Jahren durch eine Version 3.0 wieder abgelöst wird. Boccherinis hinreißende Musik, die noch immer viel zu wenig gespielt wird und bekannt ist, hat es verdient.

Boccherini Edition
(1) Sinfonien G 515, 517–518
(2) Sinfonien G 519–522
(3) Cellokonzerte G 477, 479–480, 482
(4) Cellokonzerte G 475, 478, 483, deest
(5) Cellokonzerte G 473–474, 476, 481
(6) Streichsextette op. 23/1, 3–4, 6 G 454, 456–457, 459
(7) Obenquintette op. 55(/1–6 G 431–436
(8) Gitarrenquintette G 445, 447, 449–450
(9) Gitarrenquintette G 446, 447, 452
(10) Klavierquintette op. 56/1–3 G. 407–409
(11) Klavierquintette op. 56/4–6 G. 410–412
(12) Klavierquintette op. 57/1–3 G. 413–415
(13) Klavierquintette op. 57/4–6 G. 416–418
(14) Streichquintette op. 10/1–3 G 265–267
(15) Streichquintette op. 10/4–6 G 268–270
(16) Streichquintette op. 11/1–3 G 271–273
(17) Streichquintette op. 11/4–6 G 274–276
(18) Streichquintette op. 13/1–3 G 277–279
(19) Streichquintette op. 13/4–6 G 280–282
(20) Streichquintette op. 18/1–3 G 283–285
(21) Streichquintette op. 18/4–6 G 286–288
(22) Streichquintette op. 20/1–3 G 289–291
(23) Streichquintette op. 20/4–6 G 292–294
(24) Streichquintette op. 25/1–3 G 295–297
(25) Streichquintette op. 25/4–6 G 298–300
(26) Streichquintette op. 27/1–3 G 301–306
(27) Streichquintette op. 28/1–3 G 307–309
(28) Streichquintette op. 28/4–6 G 310–312
(29) Streichquintette op. 29/1–3 G 313–315
(30) Streichquintette op. 29/4–6 G 316–318
(31) Streichquintette op. 30/1–6 G 319–324
(32) Streichquintette op. 31/1–3 G 325–327
(33) Streichquintette op. 31/4–6 G 328–330
(34) Streichquintette op. 39/1–3 G 337–339
(35) Streichquartette G 195–200
(36) Flötenquinette op. 17/1–6 G 419–424
(37) Flötenquinette op. 19/1–6 G 425–430
(38) Flötenquinette op. 55/1–6 G 431–436
(39) Streichtrios G 90, 92–94
(40) Sonaten für Violine und Klavier G 25, 28–29
(41) Sonaten für Violine und Klavier G 26–27, 30, 46
(42) Sonaten für Violine und Klavier G 47–51
(43) Sonaten für Violine und Klavier G 52–54, Sonaten für Violine und Basso continuo G 20/1+3
(44) Sonaten für Violine und Basso continuo G 20/2+4–6
(45) Sonaten für zwei Violinen G 56–58, 63
(46) Sonaten für zwei Violinen G 59–61, 64
(47) Cellosonaten G 1, 2a+b,3, 4a+b, 5
(48) Cellosonaten G 6–11
(49) Cellosonaten G 12–18
(50) Cellosonaten G 565a+b, 566, deest
(51) Aria Accademica Nr. 1–5 und 14, G 544–548, 557
(52) String Quartet op. 41/1 G 214, Stabat Mater G 532
Sandra Pastrana (Sopran), Francesca Boncompagni (Sopran), Rafael Ruibérriz de Torres (Flöte), Lajos Lencsés (Oboe), Eros Roselli (Gitarre), Igor Ruhadze (Violine), Daria Gorban (Violine), Mayumi Seiler (Violine), Iris Juda (Violine), Diemut Poppen (Viola), Werner Dickel (Viola), Luigi Puxeddu (Violoncello), Enrico Bronzi (Violoncello), Octavie Dostaler-Lalonde (Violoncello), Francesco Ferrarini (Violoncello), Federico Bracalente (Violoncello), Richard Lester (Violoncello), Howard Penny (Violoncello), Ilario Gregoletto (Fortepiano), Alexandra Nepomnyashchaya (Fortepiano), Alexandr Puliaev (Cembalo), Lubotsky Trio, Parisii Quartet, Francisco de Goya String Quartet, La Magnifica Comunità, I Virtuosi della Rotonda, Ensemble Claviere, Ensemble Symposium, Accademia i Filarmonici di Verona, Orchestra dell’Istituto Superiore di Studi Musicali Luigi Boccherini di Lucca, Gian Paolo Mazzoli, New Berlin Chamber Orchestra, Michael Erxleben

Brilliant Classics 97172 (1992–2021)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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