21. November 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Heinrich Hofmann / Kammermusik

Heinrich Hofmann / Kammermusik
Heinrich Hofmann / Kammermusik
Ein gänzlich Unbekannter ist Heinrich Hofmann (1842–1902) nicht. Immerhin ist jetzt ein drittes Album mit seiner Musik erschienen: Nach seiner Frithjof-Sinfonie op. 20 aus dem Jahre 1874, mit der sich Hofmann einen lebenslangen Erfolg sicherte (Sterling, 2012), konnte bald mit dem Streichsextett e-Moll op. 25 und dem Oktett F-Dur op. 80 erstmals groß besetzte Kammermusik wiederentdeckt werden (MDG, 2013). Nach mehr als zehn Jahren legen nun Oliver Triendl und seine Mitstreiter auf einer Doppel-CD die vollständige Klavierkammermusik vor – eine Produktion, aus der das gewichtige Klavierquartett d-Moll op. 50 (1880), die Violinsonate f-Moll op. 67 (1883) und ein frühes Klaviertrio A-Dur op. 18 (1874) herausragen.

Es ist eine Musik, die sehr deutlich in der Nachfolge von Mendelssohn und Schumann steht – und insofern historisch um eine Generation verspätet erscheint. Ohne Bezug zu Liszt und Wagner ist Hofmann zwar als «Konservativer» zu bezeichnen, epigonal ist er allerdings nicht. Seine Kompositionen sind schlicht dem Tonfall vor 1854 verhaftet (selbst Brahms vermag mehr zu überraschen) und formen aus dem Fundus etwas Eigenes. Den Zeitgenossen hat das lange Zeit gefallen – doch für einen Platz im Pantheon der Geschichte (auch in einer zweiten Reihe) hat es nicht gereicht. Gute Themen und gediegenes Handwerk allein garantieren keinen Platz in der Erinnerungskultur. Heute dagegen geben die eingespielten Werke Auskunft über die einstige Breite des bürgerlichen Musiklebens und des vorherrschenden Geschmacks. Umso mehr hätte ich mir zu dieser sehr engagierten und interpretatorisch kaum besser zu denkenden Einspielung ein gründlicher recherchiertes und substanzielles Booklet gewünscht (etwa mit Zitaten aus zeitgenössischen Musikzeitungen). – Ein echter redaktioneller Fauxpas findet sich auf dem Backcover. Bei den dort angegebenen Daten «(1868–1937)» handelt es sich um die Lebensspanne von Carl Frühling, dessen Klavierquintett op. 30 vor zwei Jahren beim selben Label (und ebenfalls mit Oliver Triendl) erschienen ist.

Heinrich Hofmann. Klavierquartett d-Moll op. 50 (1880); Violinsonate f-Moll op. 67 (1883); Romanze D-Dur für Violoncello und Orchester op. 48 (1880); Klaviertrio A-Dur op. 18 (1874); Adagio F-Dur für Violine und Klavier op. 31a (1877); Steppenbilder. Drei Klavierstücke über original russische Themen op. 39 (1879); Serenade für Violoncello und Klavier op. 63 (1882); Andante für Klarinette und Klavier op. 98 (1899)
Oliver Triendl (Klavier) Nina Karmon (Violine), Stefan Fehlandt (Viola), Wen-Sinn Yang (Violoncello), Georg Arzberger (Klarinette)

hänssler classics HC 22014 (2022)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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