Was immer man von der Person Georges I. Gurdjieff auch halten mag, als Kritiker des modernen Menschen und als Esoteriker, er hat zusammen mit dem Musiker Thomas de Hartmann ein umfangreiches Werk an Musik für das Klavier hinterlassen, das der niederländische Pianist Jeroen van Veen auf insgesamt sechs CDs für das Label Brilliant Classics innerhalb von zwei mal drei Tagen im März und Mai 2021 in Votiv-Kapelle in Steffeln (Eifel) eingespielt hat. Wie das Booklet erklärt, auch als Resultat der Maßnahmen innerhalb der Covid19-Pandemie, die plötzlich dafür den Raum eröffneten.
Es handelt sich um insgesamt 170 relativ kurze Stücke, die Gurdjieff auf Reisen „eingesammelt“ hatte. Wahrscheinlich ist den meisten bekannt, dass 1980 sich bereits Keith Jarrett einiger dieser Stücke angenommen hat. Eine erstaunliche Wendung in Wirken des Nicht-Nur-Jazz-Pianisten.
Mit Jeroen van Veen ist bei diesen Aufnahmen ein Musiker an den Tasten, der vor allem auf seine vielfältigen Erfahrungen mit Musik repetitiver Art wie von Phil Glass oder Arvo Pärt, aber auch Ludovico Einaudi verweisen kann. Gurdjieff / Hartmanns Kompositionen sind in dem Zusammenhang an sich passend, wenngleich das repetitive Moment nicht die große Rolle spielt oder Herausforderung an die Pianist:innen stellt. Das Repetitive ist eher in der Ähnlichkeit der Stücke zueinander zu finden, ihr Flow als solcher und damit der prozessuale Moment, wenn sie hintereinander weg gespielt werden; also eine Frage der musikalischen Haltung aufs ganze Werk gerechnet. Da ergibt es guten Sinn, diese Stücke auch so kompakt an den sechs Tagen aufzunehmen, um den Gesamtklangzusammenhang, also die Tönung, zu realisieren.
Aber es gibt natürlich auf Volume III der Kompositionen Gurdjieffs und Hartmanns zahlreiche Stücke mit markantem Anteil an Repetitionen zum Beispiel auf einem Ton, die sich sich über Minuten ziehen, oder itterative Passagen, Anklänge an späte Beethoven-Bagatellen oder die Klaviermusik Erik Saties. Da ist es kein Fehler, ausgesprochen umfangreiche technische und interpretatorische Kenntnisse durch andere Kompositionen der repetitiven Musik zu besitzen. Der pianistische Anspruch dieser vermeintlich anspruchslosen Musik ist nicht zu klein zu werten. Der Objektivismus, der aus der kahlen und fast leeren Poetik dieser Stücke spricht, ist im Gegensatz dazu nicht ohne gewissermaßen neuronale Resonanz – ja tendiert in eine verklärte Trance.
Man wird die Stücke wahrscheinlich so peu a peu sich zu Ohren führen, ebenso wie sie eingespielt worden sind. Jeroen van Veen selbst erledigt das ohne große Bögen zu bauen, sondern in einem Rutsch und einem Rausch.
Georges I. Gurdjieff / Thomas de Hartmann: Complete Music for the Piano (6 CD)
- Jeroen van Veen – Piano
Brilliant Classics 94795 (VÖ: 2021/09)