Die Kunst der Interpretation einer Bearbeitung oder eines Arrangements liegt darin, das Original nur mitzudenken, es aber nicht zu imitieren, den nun veränderten Klangeigenschaften der Partitur nachzuspüren, sie von innen heraus zum Leuchten zu bringen, sie eigenständig zu deuten. All dies gelingt dem in Frankreich beheimateten «Trio Karénine» bei seiner Einspielung von Schönbergs glühend-leuchtender Verklärter Nacht geradezu beispielhaft, wenn nicht gar phänomenal. Denn die von Eduard Steuermann stammende Transkription für Klaviertrio, die satztechnisch eher reduziert und klärt als den verwobenen Satz ins Sinfonische weiter verdichtet, wird hier nicht als kammermusikalischer Notbehelf verstanden, sondern vom ersten Ton an als eigenständige nachkomponierende Deutung verstanden. Ähnliches lässt sich auch von den eingespielten Schumann-Studien berichten, Liszts viertelstündige Tristia steht ohnehin singulär.
Doch was macht (auch im Vergleich zu anderen Aufnahmen) das «Trio Karénine» bei der Verklärten Nacht so anders? Zunächst einmal stellt es Zusammenhänge her. Wer Schönbergs spättonales Werk gut im Ohr hat, der sollte sich zu den allerletzten Töne der Tristia das «Aha-Erlebnis» nicht entgehen lassen. Bei der Transkription des Streichsextetts sind es dann auf der einen Seite das klug durchdachte Konzept, auf der anderen die vielen Details, die diese Bearbeitung als Gewinn erscheinen lassen. So lassen sich Violine und Violoncello hier losgelöst von ihren originären Aufgaben aus dem permanenten musikalischen Diskurs verstehen, zu dem das Klavier grundierend und kommentierend hinzutritt. Notwendig ist dazu ein vielfacher Farbwechsel – in den Streichern, aber auch auf dem Tasteninstrument. Genau an diesem Punkt reißt das «Trio Karénine» mit: zwischen sattem Schmachten und kühl abgeklärten Harmoniefolgen. Ein ganz großer, faszinierender Wurf.
Franz Liszt. Tristia; Robert Schumann. Sechs Studien in Canonischer Form für den Pedalflügel op. 56, für Klaviertrio arr. von Theodor Kirchner; Arnold Schönberg. Verklärte Nacht op. 4 (1899), für Klaviertrio arr. von Eduard Steuermann
Trio Karénine
Mirare MIR 554 (2020)