Apropos: Man hört Haydns Musik am besten, indem man zunächst einmal Beethoven vergisst. Denn Haydn bietet eine ganze Reihe von individuellen Ausdruckscharakteren und kompositorischen Möglichkeiten, darunter auch die des musikalischen Witzes, die schon recht bald im 19. Jahrhundert nicht mehr verstanden wurde (es musste in den großen Gattungen betont ernst und «arbeitsam» zugehen). Seine kompositorische Originalität steht daher ganz im Zentrum der mit diesem Album beginnenden Einspielung der «Londoner» Sinfonien – nach Beethoven, Schumann und Brahms das aktuelle Projekt der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen. Bemerkenswert ist dabei wieder, dass sich das Orchester zwar historisch informiert zeigt (auch beim Instrumentarium), ihm aber mit Paavo Järvi seit 2004 ein Dirigent vorsteht, der andere Klangkörper bisweilen auch anders musizieren lässt. Und so kommt aus Bremen ein frischer Haydn ohne aufgesetzte Affekte und Manierismen, wobei das Orchester seltsam entfernt klingt. Ohnehin darf man sich über die Lokalität nicht täuschen lassen: Die Fotos im Booklet stammen aus dem Wiener Konzerthaus, die Einspielung selbst entstand aber im Regentenbau Bad Kissingen.
Joseph Haydn. Sinfonie Nr. 101 D-Dur Hob. I:101 «Die Uhr»; Sinfonie Nr. 103 Es-Dur Hob. I:103 «Paukenwirbel»
Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen, Paavo Järvi
RCA 19658 80741 2 (2019)