7. Oktober 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Arno Bornkamp / Folies de Baryton

Arno Bornkamp / Folies de Baryton
Arno Bornkamp / Folies de Baryton
Mit diesem Album ist aus der multimedialen Performance «Little Big Horn» eine Reihe von Folies de Baryton (so der übergreifende Titel) entstanden. Und es sind nahezu durchgehend wirkliche «Verrücktheiten», die Arno Bornkamp hier nach umfänglicher Live-Erprobung eingespielt hat. Noch dazu handelt es sich um Solo-Kompositionen, die das viel zu selten in dieser Weise zu hörende Bariton-Saxophon in den Mittelpunkt rücken. Dabei war es gerade diese Stimmlage, in der einst Adolphe Sax sein neues Instrument verankerte; erst später etablierten sich Alt- und Tenorsaxophon in Konzert und Jazz, neuerlich wird das Sopransaxophon immer wichtiger. Die Entscheidung für das Bariton traf Arno Bornkamp daher sehr bewusst und ausdrücklich mit Blick auf seine charakteristisch tiefen, rauen und kraftvollen Klangeigenschaften.

Arno Bornkamp, der nicht nur auf eine nun schon 40-jährige Karriere, sondern auch auf die Mitwirkung bei mehr als 150 Uraufführungen zurückblicken kann, nutzt seine interpretatorische Seniorität freilich nicht für das Etablierte, sondern für das Neue und Ungewohnte. Die von ihm in Auftrag gegebenen oder auch nur ausgewählten Kompositionen wollen indes weder verschrecken noch überreden, sondern eher verblüffen. Und so entwickeln sich aus den Koppelungen von je-weils zwei Komponisten einer Nation (oder Herkunft) auf diesem Album immer wieder andere Perspektiven auf das in seiner Wandlungsfähigkeit weithin unterschätzte Instrument: Der Fokus wandert von Ungarn (Kurtag und Vigh) über Italien (Ruggiero und Francesconi) und die Niederlande (Menu und Veldhuis) nach Japan (Yoshimatsu und Noda) und in die Neue Welt (Marsalis und Wanamaker). Eigentlich bedurfte es dieser für offene Ohren etwas aus dem Rahmen fallenden Verknüpfungen gar nicht – selbst die Auswahl der Variationen aus Les Folies d’Espagne von Marin Marais aus der Wende zum 18. Jahrhundert wirkt in diesem Kontext erstaunlich frisch und zeitgenössisch. Ein Album also, das eine Lanze bricht – und hoffentlich nicht ohne Folgen bleiben wird.

Folies de Baryton.
György Kurtag. Kyörgy Kroó in memoriam (1997); Peter Vigh. Vlecht (2020); Giuseppe Ruggiero. Andantino–Allegro (1964); Luca Francesconi. Notturno (1987); Jan Menu. Bit of Bit (2021); Jacob ter Veldhuis. Long Before the Sun Came Up (2020); Marin Marais. Variationen aus «Les Folies d’Espagne» (1701); Takashi Yoshimatsu. Eclogue / Monologue (2021); Ryo Noda. Dance, Dance, Dance (2019); Branford Marsalis. Piece for Baritone Saxophone (2020); Gregory Wanamaker. Monology (2018)
Arno Bornkamp (Saxophon)

Genuin GEN 23822 (2022)

HörBar<< Lars Lien / Out of Step

Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

    Alle Beiträge ansehen
hoerbar_nmz

Der HörBar-Newsletter.

Tragen Sie sich ein, um immer über die neueste Rezension informiert zu werden.

DSGVO-Abfrage* *

Wir senden keinen Spam! Erfahre mehr in unserer Datenschutzerklärung.

Teil 5 von 5 in Michael Kubes HörBar #088 – Saxophon