21. November 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Mathias Rüegg – The Advantage of Writing Music

… und «The Blue Piano». Zwei CDs sollen das musikalische Erbe dieses österreichischen Musikers und Komponisten ab-, nein, aufrunden. Denn es gibt ein Bekenntnis: «Der Blaue Klang ist die letzte Arbeit in der langen Karriere des Komponisten, Bandleaders, Produzenten, Dirigenten, Freigeist und Talentescouts mathias rüegg.» Oder umrunden, den geht ja zugleich um den runden 70. Geburtstags dieses Musikers und Komponisten.

Viel muss man dazu nicht sagen: Es sind zwei eigenartige CDs mit recht eigenartiger Musik, die recht wenig eigenwillig zum Erklingen gebracht warden. Das klingt manchmal so, als habe man sich im Jahrhundert geirrt und sei bei einer verschollenen Klaviersonate Franz Schuberts gelandet. Und manchmal so, als sei sein Vienna Art Orchestra kammermusikalisch verlängert worden.

«Spätromantische Kunstlieder treffen auf ein Füllhorn gepflegter Jazztöne. Sie erleben auf 2 Discs Kompositionen und Arrangements, die sich Rüegg anlässlich seines 70. Geburtstag selbst zum Geschenk macht», um aus den Infomaterialien zur CD gepflegt zu zitieren. Das alles hat seinen Charme und seine eigene Qualität. Vielleicht sind es sogar schon Denkmäler der Tonkunst des musikalischen Eigensinns.

Der Leiermann bettelt nicht mehr

Anlässlich seines Geburtstags hat Mathias Rüegg am 8.12.2022 eine Rede gehalten mit dem Titel «Blicke zurück im Nichtzorn» (PDF). Er redet darin kaum über Musik, sondern vor allem über Geld. Und beschreibt den beschleunigten Niedergang des Produktes CD, so dass ich mich fast nicht leiden kann, wenn hier am Ende des Beitrages ein notorischer Spotify-Link kommt.

«Aber noch viel schlimmer war der plötzlich auftauchende ‚Killer‘ Spotify! Das bedeutete im Klartext, dass Musik aber sofort Gratisware war, und die Musiker – bis auf ganz wenige Ausnahmen – nun alles selber bezahlen mussten. Parallel dazu verschwand die CD schleichend aus den Regalen und zum Teil auch aus den staatlichen Förderungen. Und so war es dann auch in der Zusammenarbeit mit Lia Pale. Wir hatten 2013 bei Universal noch ziemlich gut angefangen und 2017 bei Harald Tautschers Lotus Records mit der Winterreise sogar einen kleinen Höhepunkt mit knapp 2.000 verkauften Stück erreicht. Doch dann ging es kontinuierlich nach unten, und jetzt, für das Blaue Klavier haben der deutsche und österreichische Vertrieb zusammen noch hundert Stück in Kommission genommen!! Das wären dann insgesamt 500,– Euro Erlös, bei Produktionskosten von 26.605,–, meine Arbeit selbstverständlich unbezahlt. Oder aus einer etwas anderen Perspektive: bei einer meiner letzten digitalen Abrechnungen gab es von Vietnam für 320.000 Streams – übrigens eines einzigen Liedes – 52 Cent!!
Sie sehen, der Zeitpunkt meines Rücktrittes ist bestens gewählt. Nach 60 Programmen auf CDs: keine eigenen Projekte, keine finanziellen Risiken, keine Subventionsansuchen und kein Betteln mehr. Möge ich in Frieden dahindösen und hie und da ein paar super Aufträge bekommen, die mich aufwecken! z.B. für ein Musical – der alten Schule, in neuem Gewand!»

Man geht ja nie so ganz für immer. Musicals sind schließlich der neue heiße Scheiß. Zeit dafür wäre es allemal. In der nmz im Februar hat Mathias Rüegg die 11 Fragen beantwortet.


Mathias Rüegg – The Advantage of Writing Music / The Blue Piano [2022] – Doppel-CD

  • Ingrid Oberkanins (perc)
  • Hans Strasser, (b)
  • Juraj Bartos (tp)
  • Roman Janoska (v)
  • Stano Palúch (v)
  • Joris Roelofs (cl)
  • Mario Rom (tp)
  • Lia Pale (voc)
  • Soley Blümel (p)
  • Benjamin Harasko (voc)

Lotus Records

 

 

Autor

  • Martin Hufner. Foto: Kurt Hufner

    Martin Hufner ist Musikjournalist, Musikwissenschaftler, Blogger. Er betreut nebenbei die Online-Redaktion der neuen musikzeitung.

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