21. November 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Franck 200 / Complete Orchestral Works

Franck 200 / Complete Orchestral Works
Franck 200 / Complete Orchestral Works
Die Archive der längst Geschichte gewordenen «Majors» sind offenbar nur bei den ganz großen Komponisten so gut und nahezu komplett gefüllt, dass man ohne aufwändige Neuproduktionen mit Geburtstagsboxen ein nahezu sicheres Geschäft zu machen glaubt. Denn zu einer wirklich vollständigen Box ist es im Jubeljahr von César Franck nicht gekommen. Man mag das bedauern – und doch hat es den Vorteil, nicht alles aus einer Hand zu bekommen und dabei einer einzigen favorisierten aufführungspraktischen und akustischen Ästhetik zu folgen. Selbst bei der vorliegenden Zusammenstellung sämtlicher Orchesterwerke mit dem Königl. Philharmonikern aus Lüttich sind es vier Dirigenten, die jeweils eine etwas andere Handschrift pflegen.

Was aber noch mehr wiegt und diese Mini-Box mit 4 CDs so wertvoll macht: Es ist eben ein ganzer Werkbestand eingespielt worden, darunter auch so manche Rarität, wie die beiden frühen Variations brillantes des gerade einmal zwölfjährigen Komponisten – virtuose Stücke, durch die der Abstand (zeitlich wie auch stilistisch) zu den vier Jahrzehnte später entstandenen Werken noch deutlicher wird. Außerdem lassen sich unerhörte Entdeckungen machen, wie etwa die sinfonische Dichtung Ce qu’on entend sur la montagne (1846) nach Victor Hugo – die somit noch vor denen von Franz Liszt entstand und von faszinierend frischer Kraft ist. Vielleich ist es auch von Vorteil, dass die vier CDs nicht en bloc aufgenommen wurden, sondern über mehrere Jahre verteilt; einige wenige der Einspielungen waren bereits zuvor bei Cypres und Musique en Wallonie erschienen. Interpretatorisch stehen sie auf sehr hohem Niveau und überzeigen durchwegs, technisch wie auch hinsichtlich Intensität und Ausdruck, dies gilt auch für die konzertanten Werke. Man kann die sinfonische Box auch als Plädoyer dafür lesen und hören, diese großartigen Partituren häufiger auf live gespielte Programme zu setzen.

César Franck. Variations brillantes sur un thème original (1834) für Klavier und Orchester; Variations brillantes sur la ronde favorite de Gustave III de Daniel-François-Esprit Auber für Klavier und Orchester (1834); Deuxième Grand Concerto h-Moll op. 11 für Klavier und Orchester (1836); Ce qu’on entend sur la montagne (1846); Rédemption (2. Fassung, 1873); Les Éolides (1875); Ballet de l’hiver et du printemps (1879); Le Chasseur maudit (1881); Les Djinns (1884); Variations symphoniques für Klavier und Orchester (1885); Psyché (1887); Prélude, choral et fugue (instrumentiert von Gabriel Pierné, 1884/1915), Symphonie d-Moll (1887)
Florian Noack, Cédric Tiberghien (Klavier), Chœur de Radio France, Orchestre Philharmonique Royal de Liège; Christian Arming, Pierre Bleuse, Gergely Madaras, Hervé Niquet, François-Xavier Roth

Fuga Libera FUG 971 (2009, 2012, 2018, 2021)

HörBar<< Franck 200 / Mélodie française

Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

    View all posts
hoerbar_nmz

Der HörBar-Newsletter.

Tragen Sie sich ein, um immer über die neueste Rezension informiert zu werden.

DSGVO-Abfrage*

Wir senden keinen Spam! Erfahre mehr in unserer Datenschutzerklärung.

Teil 5 von 5 in Michael Kubes HörBar #071 – César Franck 200