21. November 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Mannheim 1778 / Letzbor, Traxler

Mannheim 1778 / Letzbor, TraxlerMozart in Mannheim (und in Paris). Über diese Zeit sind bereits ganze Bücher geschrieben worden, und doch muss man vielleicht eher diese biographischen Stationen «nachfühlen«, um ansatzweise zu verstehen, was dem jungen Komponisten in diesen Jahren und Monaten widerfahren ist. Konkrete Spuren davon wird man kaum in seiner Musik finden, mehr aber wohl in seinen Briefen – zwischen Liebesfreud (Aloysia Weber) und tiefer Trauer um die Mutter. Aus dieser Zeit stammen die in Paris als «Opus 1» gedruckten Sonaten für Clavier und Violine (KV 301–306). Angeregt durch eine ähnliche Komposition von Joseph Schuster (1748–1812) sah sich Mozart gleichermaßen angeregt wie herausgefordert.

Dass Gunar Letzbor und Erich Traxler ihr Album guten Gewissens mit «Mannheim 1778» überschreiben konnten, liegt an der konsequenten Werkauswahl, die eben ganz auf Ort und Jahr zielen: Die beiden erst in Paris niedergeschriebenen Sonaten wurden ausgelassen, im Gegenzug die noch in der Stadt der Quadrate komponierte Sonate KV 296 aufgenommen. Kaum lässt sich ein schöpferischer «status quo» besser dokumentieren. Als Tasteninstrument fiel die Wahl aufs Cembalo, das zu jener Zeit noch weit verbreitet war, und auf dem sich die stark dialogisch geprägten Werke auch gut realisieren lassen. Doch genau diese Satzstruktur geht in der weiträumigen, halligen Akustik der Produktion unter. Während das von Erich Traxler agogisch differenziert gespielte Cembalo verschwimmt, wurde die von Gunar Letzbor teilweise recht akzentuiert, mitunter auch forsch im Ton gespielte Violine zu präsent eingefangen. Das wiegt nicht durchgehend schwer, wirkt aber in Sätzen wie dem Rondeau aus der Sonate KV 302 seltsam unausgewogen. Und dennoch: die Interpretation ermöglicht einen erfrischenden Blick auf die oftmals ein wenig belächelten Werke, in denen sich Mozarts Meisterschaft von einer nur selten vernehmbaren Seite zeigt.

Mannheim 1778.
Wolfgang Amadeus Mozart. Sonaten für Clavier und Violine G-Dur KV 301, Es-Dur KV 302, C-Dur KV 303, A-Dur KV 305, C-Dur KV 296

Gunar Letzbor (Violine), Erich Traxler (Cembalo)
Pan Classics PC 10400 (2018)

HörBar<< Edinburgh 1742 / Ensemble Maryas

Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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