War für ein Prisma. Was für ein Fächer an Musik. Was tut sich hier für eine Musikwelt nur auf. Diese Konstellation aus Musikwerken, an deren Anfang eine Fuge (von Bach) steht und an deren Ende ebenfalls eine Fuge (von Beethoven) steht. Bei markieren Grenzfrequenzen des gebündelten Lichtstrahls aus vier Streichinstrumenten. Größere Werke zur Entfaltung zu bringen als die hier angezeigten von Bach, Schnittke und Beethoven ist kaum denkbar.
Prismatisch sind die Werke auch in sich selbst. Das dritte Streichquartett von Alfred Schnittke aus dem Jahr 1983 steht für eine musikalische Epoche, die nur mittelmäßig gut mit dem Begriff der Postmoderne beschrieben werden kann. Schroffe Gegensätze, Verkettungen von konsonanter und dissonanter Harmonik, Zitate (insbesondere aus der Großen Fuge Beethovens). Das alles türmt sich in gewaltiger Architektur vor einem auf. Und zerfällt wieder. Und dümpelt wieder hin und her. Kreisend, ausbrechend. Man beißt sich fest. Und löst sich in feine Tonpartikel.
Wenn man danach schließlich das riesige Beethoven-Quartett hört, klingt es verändert, hat sich der Moderne anverwandelt, die es in sich gewiss trägt, aber in dieser Brüchigkeit, in ihrer Zerfallsstruktur nun erst recht fokussiert offenbart. Musik in der Krise wird zur kritischen Musik der Extreme. Wie ein Magnet zieht Schnittkes Quartett selbst Beethoven in seiner Nähe an. Deutlich wird das gerade im ersten Satz des Beethoven-Quartetts, der in seinen Temposchwankungen oszilliert und in seinen inneren Geschwindigkeiten seiner musikalischen Erzählung und in seinem Figurenreichtum und seiner Artikulationsvielfalt (oft synchron) – da kann einem schwindelig werden, weil es so viel mehr ist als „nur“ motivisch-thematische Arbeit.
Wäre man noch emphatischer, könnte man sagen, erst die Große Fuge überbietet selbst noch die Postmoderne des Schnittke-Quartetts – aber wir sind hier nicht im Wettbewerb. Sondern an den Extremen eines entfesselten musikalischen Lichtstrahls. Der Anlauf über Bach und Schnittke nimmt einen ins Offene mit hinein, die Freiheit der kompositorischen Verflüssigung von Gedanken.
Das alles übersetzt das Danish String Quartet in die Klänge und Verläufe, die Pingpong mit den Hörenden spielen. Gefährlich!
Danish String Quartet – Prism II
- Johann Sebastian Bach: Fugue in B Minor BWV 869. from the Well-Tempered Clavier, Book I. arr. Emanuel Aloys Förster.
- Alfred Schnittke: String Quartet No. 3 (1983)
- Ludwig van Beethoven: String Quartet No. 13 in B-flat major op. 130; Original version with the Große Fuge (Op. 133) as last movement
Danish String Quartet: Violin – Frederik Øland, Rune Tonsgaard Sørensen; Viola – Asbjørn Nørgaard; Violoncello – Fredrik Schøyen Sjølin. Frederik Øland plays first violin in Bach and Beethoven, Rune Tonsgaard Sørensen in Schnittke.
Recorded May 2017, Reitstadel Neumarkt
ECM Records – ECM 2562