21. November 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

In a Strange Land / Ensemble Stile Antico

In a Strange Land / Ensemble Stile Antico
In a Strange Land / Ensemble Stile Antico

Entscheidend für das Verständnis der eingespielten Werke ist der mitgelieferte Untertitel: «Elizabethan Composers in Exile». So steht einmal mehr die hochpolitische Zeit des ausgehenden 16. Jahrhunderts im Zentrum; hier geht es um die Folgen einer päpstlichen Bulle, die der Königin das Recht auf den Thron absprach und allen Gefolgsleuten mit der Exkommunizierung drohte. Doch so sehr die Schiffe auf dem Cover eine kollektive Ausreise nahe legen – das Konzept geht nicht ganz auf. Denn die Verhältnisse waren (wie immer) deutlich komplizierter, geprägt von Verrat und falschen Freundschaften; es ging nicht allein um die Art des Glaubens, sondern auch um Macht und Geld. Dowland jedenfalls erhielt eine erhoffte Anstellung nicht, sondern wandte sich nach Dänemark, William Byrd hingegen verweilte weiterhin in England, Richard Dering konvertierte erst 1612 in Italien und wurde 1625 Hoforganist unter der nun wieder katholischen Königin Henrietta Maria …

Auf jeden Fall hat das Ensemble stile antico mit dieser Veröffentlichung seiner Reihe mit thematisch gebundenen Konzeptalben eine weitere Folge mit interessanten Werken hinzugefügt, darunter etwa die Motette Super flumina Babylonis von Philippe de Monte, auf die Byrd mit Quomodo cantabimus reagierte, sowie die Lamentationes von Robert White. So vielfältig das Programm und die dahinterstehende (Kultur-)Geschichte auch sein mag, so erscheint mir die fraglos edle Stimmkultur des zwölfköpfigen Ensembles doch etwas zu monochrom, auch wenn offenbar akustisch differenziert wurde: Philips und White mit weiterer Räumlichkeit als etwa de Monte und Byrd. Stilistisch wollte man sich mit einem Werk von HUW Watkins (geb. 1976) erweitern – ein Bruch, der mir gerade unter Aspekten der Faktur und Satztechnik zu stark erscheint.


In a Strange Land

  • John Dowland: Flow my Tears, In this Trembling Shadow;
  • William Byrd: Tristitia et anxietas, Quomodo cantabimus;
  • Peter Philips: Gaude Maria virgo, Regina caeli laetare;
  • Richard Dering: Factum est silentium;
  • Philippe de Monte: Super flumina Babylonis;
  • HUW Watkins: The Phoenix and the Turtle; Robert White. Lamentations a 5

Ensemble Stile Antico
harmonia mundi HMM 902266 (2018)

 

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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