Ein großes Projekt geht hier mit der ersten Folge an den Start – zu einer Zeit, in der selbst bei Durchsicht der künftigen Annalen absehbar nicht einmal ein halbrunder Gedenktag ins Haus steht. Warum also Johann Sebastian Bachs Werke für Tasteninstrument neu einspielen?, möchte man fragen. Aber offenbar gibt es auf dem Tonträgermarkt doch noch Unternehmungen, die sich nicht von einem Jubiläum zum andern treiben lassen, sondern das Notwendige im Blick haben. Mir erscheint das wunderbar unzeitgemäß, lässt hoffen oder mutet zumindest wie ein letztes Rufen aus der Wüste an.
Andererseits können harmonia mundi als Label und Benjamin Alard an all den Tasteninstrumenten kaum etwas falsch machen: Bach geht immer – mehr aber noch, wenn wie hier das Konzept stimmt. Unter dem Motto „Der junge Erbe“ stehen zu Beginn der auf 14 Folgen ausgelegten Serie Werke auf der Trackliste, die (wenigstens teilweise) zurückschauen oder deutlich in einer der für Bach relevanten Traditionen stehen. Jede der drei CDs ist einer Station gewidmet (Ohrdruf, Lüneburg, Arnstadt) und in sich dramaturgisch schlüssig aufgebaut mit Präludien und Fugen, Choralvorspielen und freien Werken. Das ist erst einmal nichts Herausragendes, doch nimmt es Alard sehr ernst, was die Neufunde der letzten Jahre und Jahrzehnte angeht. Auch das gewählte Instrumentarium stimmt (eine Silbermann-Orgel in Strasbourg und ein Cembalo, inspiriert von Ruckers und Dulken) – und doch würde ein wenig Abwechslung das Projekt sicherlich befördern.
Etwas bieder muten jedenfalls die Tempi und Registrierungen an, zumal in den vielfach radikalen Choralbearbeitungen der Neumeister-Sammlung (so kann man sich BWV 1092 und 1105 auch ganz anders und viel sprechender vorstellen; Arnstädter Choräle stehen noch nicht auf der Tracklist). Für eine schöne Überraschung sorgen die gelegentlich einem Vorspiel angehängten gesungenen Strophen eines Chorals, wobei unklar ist, ob die Harmonisierung von Bach stammt. Bei der Fuge BWV 700 ist der Cantus firmus hingegen vorangestellt, merkwürdigerweise auch ohne Begleitung. Ein wenig mehr konsequente Orientierung (oder Information im Booklet) wäre für alle künftigen Folgen hilfreich. Für heute aber wächst die Neugier auf weiteres.
Johann Sebastian Bach: The Complete Works for Keyboard Vol. 1 – Benjamin Alard (Orgel & Cembalo)
harmonia mundi HMM 902450-52
- Hommage à Joseph Aloys Schmittbaur; Hof-Capelle Carlsruhe
- Robert Groslot: Concerto for Orchestra, Violin Concerto
- Johann Sebastian Bach: Goldberg Variations; Henning Kraggerud: Topelius Variations
- Colette Maze: 104 ans de piano :: Werke von Debussy, Mompou, Ginastera, Piazzolla
- Arnold Rosé und sein Quartett
- Georg Philipp Telemann: The Grand Concertos for mixed instruments Vol. 4
- Johann Sebastian Bach: The Complete Works for Keyboard Vol. 1 – Benjamin Alard (Orgel & Cembalo)