14. Dezember 2025 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Goldmann – Input (The Sofia Versions)

Goldmann – Input (The Sofia Versions)

Interessant ist es häufig, zu sehen, wie Übersetzungen von einer Sprache in eine andere bei verschiedenen Übersetzer:innen am gleichen Text realisiert werden. Übersetzungen erzeugen, je nach Input, durch die Färbung des neumixenden Übersetzers nach Art und Ort neue Werke in denen das Original mehr als schattenhaft enthalten ist. Im Bereich der musikalischen Künste findet so etwas permanent auf dem Weg von Noten zu realisierter Praxis laufend statt, aber das Original ist natürlich meistens immer mehr als der Schatten seinerselbst.

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Bei Stefan Goldmann «Input» wird kein Notat, sondern ein Resultat eine elektronischen Mixprodukts, das uns Hörenden unbekannt bleibt, in die Welt der Ensemblemusik rückabgewickelt. Dafür stehen ihm hier drei Komponisten und das siebenköpfige Ensemble 180° zur Verfügung. Wie genau diese Entmixungen sich am Original orientieren, bleibt schleierhaft, was sich allein schon in den Längen der Kompositionen niederschlägt, 7‘03“ bei Химера / Chimera von Lukas Tobiassen, 4‘24“ bei Daniel Chernovs Big Drop und 5‘57“ bei Gnomon A von Adrian Pavlov.

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«Im Fall von Input haben nur noch die beteiligten Komponisten Zugang zur elektronischen Vorlage – der Quelle. Das elektronische Original erklang einmal, bei der Uraufführung 2015, und besteht seither nur als Echo durch seine Bearbeitungen für Ensemble fort. Das Publikum erfährt die Charakteristika des Werks nun mittelbar durch die Gemeinsamkeiten der Bearbeitungen und ihrer Interpretationen.» (Booklet)

Ich finde es dabei ganz bemerkenswert, wie alle drei zu dem uns im Original unbekannten Doppelschlag im tiefen Register kommen, der hier zwei Mal im Klavier erklingt und einmal durch ein Cello-Crescendo dargestellt wird. Aber auch wie dann Repetitionsmuster aus der Techno-Szene verschiedentlich aufgegriffen werden zu einem Tanzfeeling verdünnisiert werden – so wie am deutlichsten beim ungelutschten «Big Drop» von Daniel Chernov – das macht schon Laune.

Interessant ist dabei auch, dass diese Transkompositionen ursprünglich für ein Ensemble von 14- bis 20-Jährigen Musiker:innen notiert wurden und damit auch die Herausforderungen entsprechend angepasst wurden. Das Ergebnis bleibt in sich aber ästhetisch dicht genug. Stefan Goldmann hat es aber nicht dabei bewenden lassen. Bei der Abmischung für den Tonträger hat er nach eigenen Angaben verschiedene technische Verfahren angewandt, die von der räumlich-differenzierten Anordung im Stereoraum bis zu Manipulation in Verdichtung und Hall reichen.

Ist das nicht vielleicht alles ein bisschen zu viel des Hin- und Hermanipulierens? Ich denke, nein. Im Gegenteil, insbesondere die Komplexitätsreduktion bei der Komposition für ein noch nicht professionelles Ensemble, lässt neue Ordnungsergebnisse zu. Das ist ein einfaches und gutes Prinzip in einer Welt der Neuen Musikszene, in der häufig Hyperkomplexität gerade im Bereich der Spieltechniken und der rhythmischen Gestaltung zu Verkrampfungen derart führt, dass statt Entfaltung ästhetischen Reizes das Gegenteil resultiert: Verarmung des möglichen Ausdrucks. Aber das ist noch ein anderes Thema.


Stefan Goldmann, Ensemble 180° – Input (The Sofia Versions)

Stefan Goldmann – Input (2015), Bearbeitungen:

  • Химера / Chimera (2016) für Flöte (Piccolo), Bassklarinette, Klavier, Violine, Viola, Violoncello. Bearbeitet für Ensemble von Lukas Tobiassen (*1987).
  • Big Drop (2016) für Flöte, Oboe, Bassklarinette, Klavier, Violine, Viola, Violoncello. Bearbeitet für Ensemble von Daniel Chernov (*1988).
  • Gnomon A (2016) für Flöte, Klarinette, Klavier, Violine, Violoncello. Bearbeitet für Ensemble von Adrian Pavlov (*1979)

Ensemble 180°

  • bass clarinet, clarinet – Yavor Gaidov
  • flute – Delphine Roche
  • oboe – Valentine Collet
  • piano – Gilles Grimaître
  • viola – Elitsa Bogdanova
  • violin – Ivailo Danailov
  • violoncello – Stefan Hadjiev

Macro Berlin (VÖ: 10.10.2025)

Autor

  • Martin Hufner. Foto: Kurt Hufner

    Martin Hufner ist Musikjournalist, Musikwissenschaftler, Blogger. Er betreut nebenbei die Online-Redaktion der neuen musikzeitung.

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hoerbar_nmz

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