Polnische Sinfonik – Royal Scottish National OrchestraAuf diversen Alben schon länger vertreten – doch im Konzertsaal noch immer unterrepräsentiert. So lässt sich wohl der Status polnischer Musik der Moderne und jüngsten Vergangenheit beschreiben. Dabei gibt es doch eine Reihe von Namen und Kompositionen, die eigentlich schon lange zum Repertoire gehören (sollten). Umso erfreulicher ist es, dass mit dieser Produktion aus Glasgow ein wirklicher Live-Mitschnitt veröffentlicht wird. Und man kommt aus dem Staunen und Hören nicht heraus, was hier vom Royal Scottish National Orchestra unter der Leitung von Thomas Søndergård zuhören ist. Aufnahmetechnisch brillant und in nahezu perfekter Relation zwischen Detail und Gesamtsound eingefangen, handelt es sich um schlichtweg überzeugende Interpretationen auf allerhöchstem Niveau.
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Doch der Reihe nach: Den Anfang macht eine Ouvertüre von Grazyna Bacewicz (1909–1969) aus dem Jahre 1943, kraftvoll und nach vorne gerichtet. Eine Form des existenziellen, positiven Widerstands und in dieser Einspielung mit berückender Leichtigkeit gespielt. Es folgt die Sinfonie Nr. 3 (1983) von Witold Lutoslawski (1913–1994) mit ihrem immer wiedererkennbaren Beginn. Ein Spätwerk voll glühender Leuchtkraft in den Motiven und vor allem der Instrumentation – und somit alles andere als eine rasch verglühende Sternschnuppe wie man sie bei vielen anderen Werken jener Zeit gesehen hat. Mit welcher Selbstverständlichkeit die Partitur hier umgesetzt wird (im Tutti wie auch von den immer wieder hervortretenden Solo-Partien) ist schlichtweg verblüffend. Zum Schluss dann eine Sinfonische Fantasie aus dem Król Roger (König Roger) von Karol Szymanowski (1882–1937) – intensiv, nach innen und außen dramatisch den musikalischen Abgründen der Handlung folgend. Ein Album, dass man nicht so schnell auf die Seite legen wird.
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Grazyna Bacewicz. Ouvertüre für Orchester; Witold Lutoslawski. Sinfonie Nr. 3 (1983); Karol Szymanowski. Sinfonische Fantasie aus «Krol Roger» (arr. Iain Farrington)
Royal Scottish National Orchestra, Thomas Søndergård Linn CKD 758 (2024)
Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.