22. Oktober 2025 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Arvo Pärt – Lente

Arvo Pärt – Lente
Arvo Pärt – Lente
Die Musik von Arvo Pärt (*1935) gewinnt erst durch einen weiten Raum, seine öffnende Akustik und wärmenden Nachhall ihre spirituelle Tiefe. Man wird sich kaum eine seiner Partituren in einem trockenen Studio vorstellen können, denn sie würde einen wesentlichen Teil von sich verleugnen. Das war bereits bei den ECM-Produktionen aus den späten 1980er Jahren erkennbar – und auch bei dieser aktuellen Produktion ist es in gleicher Weise zu hören. Nicht nur das Stabat Mater und die Berliner Messe mit ihren kanonisierten Texten, sondern auch die drei rein instrumentalen Werke benötigen ihr eigenes tönendes Echo geradezu zwingend.

Die stilistische Dichte der Werke aus den 1980er und 1990er Jahren wirkt noch heute beeindruckend – wenngleich man festhalten muss, dass einzelne harmonische oder auch nur klangliche Konstellationen wiederkehren. Dafür aber atmet diese Musik auch noch nach Jahrzehnten eine Ruhe und Innerlichkeit, eine erschütternde Ehrlichkeit, wie ich sie seither nicht wieder gehört habe. Das rechtfertigt zwar auch neuere Einspielungen, wobei dann doch offen bleiben muss, inwieweit das einmal gefundene klangliche Konzept perpetuiert wird, statt neue Lösungen und Interpretationen zu finden. Folglich hinterlässt dieses Album eher den Eindruck eines zweiten Aufgusses, statt das Risiko einer Alternative einzugehen.

Arvo Pärt. Lente
Stabat Mater (Fassung für Chor und Streichorchester, 1985, rev. 2008); Festina Lente für Harfe und Streichorchester (1986, rev. 1990); Trisagion für Streichorchester (1992, rev. 1994); Silouan’s Song für Streichorchester (1991); Berliner Messe für gemischten Chor und Sreichorchester (1990, rev. 2002)
Estonian Philharmonic Chamber Choir, Concerto Copenhagen, Tönu Kaljuste

Berlin Classics 030 3739 BC (2024)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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Teil 2 von 2 in Michael Kubes HörBar #167 – Arvo Pärt 90

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