Yann Tiersen – Jeroen van VeenEin Album, bei dem die Musik, aber auch die Interpretation einem merkwürdig bekannt vorkommen. Die Musik: Die sich vielfach minimalistisch wiederholenden traumhaften Melodien und Harmonien von Yann Tiersen sind vielen im Ohr – allein durch den poetischen Kino-Klassiker Amélie (2001) und Good bye Lenin! (2003). Hier nun erklingen mit Eusa (2016) und Kerber (2021) zwei neuere, jeweils zehn bzw. sieben Nummern umfassende Werke, die nochmals reduzierter in der Substanz erscheinen – und damit noch mehr zum Kern von Tiersens Sprache und Grammatik vordringen.
Die Interpretation: Wieder einmal ist es Jeroen van Veen gelungen, mit seinem charakteristischen Ton die wenigen Noten in einen atmosphärischen Schwebezustand zu versetzen – letztlich aber auch damit einzelne Aspekte oder Nuancen zu nivellieren. Ein Vergleich mit Yann Tiersens eigener Einspielung, die ungleich härter und markanter erscheint, macht das sofort klar. Das wirklich Faszinierende daran: Selbst eine so reduzierte Musik kann auf so unterschiedliche Art und Weise gedeutet werden.
Island
Yann Tiersen. Eusa (2016); Kerber (2021)
Jeroen van Veen (Klavier) Brilliant Classics 96913 (2022)
Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.