Es sind stilistisch der Romantik verpflichtete Lieder, die hier erklingen. Und sie haben eine biographische Komponente: Als der einst in Wien und die k.u.k. Monarchie hineingeborene Willy Heinz Müller nach dem Ersten Weltkrieg ans Heiraten dachte, verdingte er sich in Nürnberg in einer «Kunstanstalt für Abziehbilder» und komponierte aus der Ferne für seine geliebten Verlobten. Dass die frühen Lieder einzelne Opuszahlen tragen, mag etwas verwundern, doch blieben sie auch unveröffentlicht. Müller erlangte schließlich 1926 ein Engagement als Musiker im Lichtspielkino Palace im schweizerischen St. Gallen, wurde 1943 (!) eingebürgert und setzte seine Arbeit eher im Stillen fort. Eine gewisse eigene Handschrift und Ausdruckswelt ist ihm nicht abzusprechen – und doch sind Gesänge und Lieder nie losgelöst von den gewählten Vorlagen zu denken, die eben bereits kompositorisch interpretieren. Das Programm wird wechselseitig von Melanie Adami und Äneas Humm gesungen – teilweise im Duett (Laszky, Hildach, Götze), teilweise auf kleine Blöcke verteilt. Was dabei akustisch erstaunt, ist der in dem Solo gegenüber dem Flügel etwas in den Hintergrund gerückte Bariton von Äneas Humm, spürbar besonders in den Liedern von Franz Ries (1846–1932).
Vergessene Lieder, vergessene Lieb
Willy Heinz Müller. Träumen op. 7; Schließe mir die Augen beide op. 9; Von userer Liebe op. 11; Ich habe gegraben op. 12; Blümlein steht am Walde op. 13/1; Sonne op. 13/2; Siebe Lieder op. 14; A. Béla Laszky. Auf einen Zweig von Rosen; Ernst von Dohnányi. Was weinst du, meine Geige? op. 14/1; So fügt sich Blüt’ an Blütezeit op. 14/2; Vergessene Lieder, vergessene Lieb op. 14/6; Ferdinand Ries. Sechs Lieder op. 31; Eugen Hildach: Abschied der Vögel op. 14/1; Carl Götze. Still wie die Nacht, tief wie das Meer
Melanie Adami (Sopran), Äneas Humm (Bariton), Judit Polgar (Klavier)
Prospero PROSP 0087 (2023)
- Vergessene Lieder, vergessene Lieb