7. Juni 2025 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Alexandre Baldo

Alexandre Baldo
Alexandre Baldo
Dunkle Töne. Bei diesem Album handelt es sich in gleich dreifacher Weise um ein Portrait: zum einen des jungen Alexandre Baldo und seines Bass-Baritons, zum anderen des wohl allenfalls nur noch dem Namen nach bekannten Antonio Caldara (1670–1736) und zum dritten des Bassisten Christoph Praun (1696–1771/72), der für annähernd ein halbes Jahrhundert Mitglied der kaiserlichen Hofkapelle in Wien war – und als einer der herausragenden Sänger seiner Zeit bei der Aufführung zahlloser Opern, Oratorien etc. mitwirkte. Praun übernahm dabei dokumentarisch belegt auch Partien in den Opern Caldaras, der seinerseits als Erster Vizekapellmeister am Hofe wirkte und mit fast 90 Opern, 32 Oratorien und ca. 150 Messen ein unüberblickbares Œuvre von angeblich 3.400 Werken schuf:

Liest man den von Alexandre Baldo selbst verfassten Booklet-Essay aufmerksam, finden sich Spuren der Genese dieses Albums. Denn die von ihm unternommene Durchsicht dutzender Partituren in der Österreichischen Nationalbibliothek erfolgt im Herbst 2020 – zu einer Zeit, in der es sängerisch nur wenig «zu tun» gab, in der aber Freiraum für derartige Recherchen bestand. Die dabei herausdestillierten Arien und instrumentalen Sätze aus insgesamt elf Kompositionen entstanden zwischen 1717 und 1736. Sie zeigen Caldara als einen mehr als nur routinierten Meister, machen aber auch deutlich, dass am Wiener Hof mit lokaltypischen Stereotypen gearbeitet wurde. Darin besteht auch die Schwierigkeit dieses Albums: Die ausgewählten Arien sind in ihrer Gesamtheit nicht originell genug, und es gelingt Alexandre Baldo mit seiner geraden, mit an Farben und Ausdruck aber etwas zu eingeschränkten Stimme nicht ganz, eine darüber hinaus wirkende unmittelbare Lebendigkeit zu erzeugen. Das junge Ensemle Mozaique spielt engagiert mit einem eher weichen Ton – und trifft damit einen Kern dieses Repertoire.

Antonio Caldara. Arias for Bass
Antonio Caldara. «Su cedete al dio dell’armi» aus: La contesa de’ numi; «Cosi dunque tradisci» / «Aspri rimorsi astroci» aus: Il Temistocle; «Tronchi, si, la falce irata» aus: Cajo Marzio Coriolano; «Vedea modesto volto» aus: Mitridate; «Minaccera le sponde» aus: Scipione nelle Spagne; Introduzione aus: Ifigenia in Aulide; «Quanto ria tal pena sia» aus Scipione Africano il maggiore; «Piu di belva» aus: Il Batista; Sinfonia aus: Santa Ferma; «Sapienza increata» / «Quando il tenero» aus: Gesu presentato nel tempio; «Furie implacabili» aus: Nitocri
Alexandre Baldo (Bass-Bariton), Ensemble Mozaique

PAN Classics PC 10447 (2022)

HörBar<< Laila Salome Fischer

Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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Teil 4 von 4 in Michael Kubes HörBar #157 – Stimmen

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