Obwohl das Arrangement mit Fingerspitzengefühl jede stereotype Wendung vermeidet, ist es doch unvermeidlich, dass sich das Zentrum des Zyklus verschiebt. Auch wenn das Englischhorn nicht in jedem Lied präsent ist, entsteht doch bald der Eindruck, es kommentiere die Gedanken des Protagonisten wie ein auskomponiertes «alter ego». So erstaunlich es ist, dass Schuberts Original diess zulässt, so enttäuschend ist es, dass diese Schicht nun so offensichtlich wird und der Zyklus etwas von seinem «Geheimnis» preiszugeben scheint. Hinzu kommt, dass trotz aller Abwechslung der spezifische Ton am Ende etwas verbraucht klingt. Das spricht weder gegen das Arrangement an sich, noch gegen die Interpreten – nur gibt es neben vielen wunderbaren Sätzen nicht weniger Passagen, die durch ihre Leere sprechen (auch wenn die Klavierfiguren nicht 1:1 übertragen werden). Auch dem Grundmann-Quartett ist da kaum ein Vorwurf zu machen – und schon gar nicht Florian Götz, der in sehr intimer Diktion über die inneren Empfindungen des Enttäuschten Auskunft gibt – auch mit gebrochener Stimme, mit fatal-optimistischer Perspektive, bis hin zur unterdrückten Wut. Zwischen den beiden «Abteilungen» ist als Intermezzo das Andantino aus der späten A-Dur-Sonate gesetzt. Eine gelungene Idee (zumal in diesem Tonfall), die allerdings als Ganzes hinter dem ausgewogenen Klang des Originals abfällt. Eine Produktion also, die vieles deutlich macht, aber auch Fragen aufwirft.
Franz Schubert. Winterreise (arr. Eduard Wesly); Andantino aus der Sonate A-Dur D 959 (arr. Eduard Wesly)
Florian Götz (Bariton), Grundmann-Quartett
Genuin GEN 23819 (2022)
- Winterreise / Florian Götz
- Estonian Premieres / Paavo Järvi
- Maxime Goulet / Ice Storm Symphony